Sahra Wagenknecht

Die Linkshaberin

Portrait, erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 14.05.2010

17.05.2010
Renate Meinhof

Sahra Wagenknecht erscheint unnahbar und fremd - und ihre radikalen Ansichten machen sie zur Außenseiterin, Wer ist diese Frau, die intelligent genug ist, das System zu hinterfragen, aber nicht schlau genug, um Herzen zu fangen?

Von Renate Meinhof

Berlin - Ein h ist doch nicht einfach nur ein Buchstabe. Ein h ist eine Welt. Man kann sich die Zähne daran ausbeißen.

Das Kind war noch keinen Tag am Leben, als die Hebamme auf die Wochenstation kam, um die Mutter zu fragen, wie es heißen solle, dieses Mädchen, dessen Haut um Nuancen ins Bräunliche schlug. Das war in Jena, im Juli 1969. Die Mutter zögerte, nahm sich Sekunden. Sollte sie jetzt Rosa sagen, wie es dem Vater am liebsten gewesen wäre, oder sollte sie ihre gemeinsame zweite Wahl zum Namen des Kindes machen? Sie sagte: "Sahra soll sie heißen, und das h muss in der Mitte stehen." (Die Hebamme, wissen Sie ... ist so ein Dragoner gewesen, sagt die Mutter und macht mit den Armen schrankhafte Bewegungen.) "Sahra mit h in der Mitte gibt's nicht", schleuderte der Dragoner auf das Bett der Wöchnerin, "Sarah hat das h am Ende, fertig". Für die Mutter aber hing eine ganze Welt an dem Standort des h. Die anziehende Welt des Vaters, tausendundeine Nacht weit weg. Aber sie war erst 2 1 und zu erschöpft, um den Aufstand zu proben. So nahm die Hebamme den Kugelschreiber und beschrieb einen hautfarbenen Leukoplast-Streifen, den sie auf ein Stück Mullbinde klebte. Die Binde legte sie um das Handgelenk des Säuglings und machte eine Schleife. Da stand: "Sarah Wagenknecht". Und das Zeichen für: weiblich.

In der Oderberger Straße, Berlin Prenzlauer Berg, das Stück zwischen Bernauer Straße (wo die Mauer stand) und der Kastanienallee (wo die Straßenbahn fährt), in der Oderberger sind alle Häuser renoviert. Alle, bis auf eins. Verloren steht die 40, wie ein Fremdling im Exil, an der Fassade noch die Spuren des Häuserkampfes der letzten Kriegstage. Hier hat Sahra Wagenknecht mit ihrer Mutter gewohnt. Sie war sieben, als sie einzogen. Da hatte sich die Spur des Vaters schon verloren.

Im "Kauf dich glücklich" isst sie eine Waffel mit Kirschen. "Hier könnte ich schwach werden."

Einfach mal einen Namen klingeln, ("Wollen Sie wirklich da rein?", fragt sie.) Der Öffner schnarrt länger als er müsste. Die Tür, in Zeitlupe, fällt ins Schloss, ausgesperrt der Lärm. Sahra Wagenknecht steht im Dunkel des Flurs und tastet mit Blicken die Wände ab. "Jetzt, wo die Tür zugeht, ist es fast wie früher", sagt sie.

Es sind viele Stempel, die dieser Frau aufgedrückt worden sind, Wagenknecht, die Neo-Stalinistin, (wogegen sie gerichtlich vorging und verlor). Wagenknecht, die Ultra-Kommunistin (wogegen sie keinen Grund hat vorzugehen), das rote Teufelchen, die auferstandene Rosa Luxemburg. Und zuletzt: die Geliebte Oskar Lafontaines, was der Spiegel zu wissen meinte. Lafontaine machte seine Krebskrankheit öffentlich und verließ die Bundespolitik. Wenn man diesen letzten Stempel anspricht, wirkt sie so entsetzt, als läge das Ganze erst wenige Tage zurück. Sie sagt: "Diese Kampagne war ja mehr gegen Oskar Lafontaine gerichtet als gegen mich."

Jemand, der von sich behaupten kann, er kenne Sahra Wagenknecht besser als andere, sagt: "Sie ist im Gefühlsbereich so verletzbar. Die Lafontaine-Geschichte muss sie fertiggemacht haben. "

Sie steht im Flur der Nummer 40. "Die Stempel, die ich habe, hindern die Leute daran hinzuhören", sagt sie. "Ich stehe immer unter Generalverdacht. Die Journalisten schreiben Dinge voneinander ab, die ich vor 15 Jahren gesagt habe. Die wollen mich auch gar nicht erleben. "

Doch, man will sie erleben. Man will wissen, wer das ist, diese Frau, die über Jahre mit ihrer Kommunistischen Plattform ganz am Rande der Linken gestanden hat. Manches von dem, was sie über die DDR, die Mauer oder über Josef Stalin gesagt hat, hat sie zu glätten versucht, manches zurückgenommen. An ihren Grundpositionen aber hat sie nichts geändert. Der Kapitalismus ist das falsche System. Die Herrschaftsverhältnisse müssen verändert werden. Die Macht des Großkapitals brechen, das heißt: Banken und Konzerne verstaatlichen. Wie das gehen soll, wird nicht ganz klar, aber heute sitzt sie im Bundestag, integriert und im Zentrum der Linken. Sie soll aufsteigen, Vize-Parteichefin werden, wenn die Genossen sie wählen, beim Parteitag in Rostock.

Wenn man Wagenknecht verstehen will, muss man viele Stunden Bahn mit ihr fahren, man muss sehen, wie schwer es ihr fällt, zum Beispiel, über eine rote Ampel zu laufen, obwohl die Straße frei ist, und man den Zug noch schaffen will. Man muss in der Oderberger 40 Stufe für Stufe mit ihr hinaufsteigen, in ihre Kindheit.

Was war da? Da waren zwei Zimmer, Küche und Flur, das Klo halbe Treppe. Im Keller stand Wasser, waren Ratten zu Hause. Von Zeit zu Zeit kam der Großvater aus Jena, um für Tochter und Enkelin so viele Kohlen in den Vierten zu wuchten, dass sie nicht in den Keller mussten. Da war diese Wohnung, direkt neben der ihren. "Die Geisterwohnung", sagt sie. Niemand wohnte darin. Oder doch? "Manchmal hörte man Geräusche, so ein Rumpeln, und manchmal stand die Tür einen Spaltbreit offen. Ich hatte Angst vor dieser Wohnung, gerade wenn ich allein war." Die Nachbarn sagten, nimm dich in acht, da wohnt ein Knasti, aber sie ist dem Knasti nie begegnet.

Sie hätte der Tür einen Schubs geben können, wenn sie angelehnt stand, einen Knaller reinschmeißen und dann mal gucken, was passiert. Was Kinder so tun. Aber die Angst war vor dem Reiz, das Fremde zu betreten. So huschte sie schnell vorbei an dieser Tür, hinter der alles hätte sein können, oder nichts.

Die Stille im Vierten muss man aushalten können. Sie steht da, karg und schön, anmutig, zerbrechlich, ein bisschen wie die Callas nach ihrer Hungerphase. Sie wirkt, als führte sie ein stimmiges Leben, drinnen, in ihren inneren Räumen. Man muss ja nicht hinter Türen gucken. Dreißig Jahre war sie nicht an diesem Ort. Sie sagt: "Eigentlich war es sehr trist hier."

Aber unten auf der Straße gibt es im "Kauf dich glücklich" Waffeln mit heißen Kirschen, sie liebt Waffeln. "Wenn ich hier noch wohnen würde, würde ich wohl öfter mal schwach werden", sagt sie. Man fragt sich, was das bei ihr heißt: schwach werden. Einmal im Monat eine Waffel essen, oder dreimal im Monat vier hintereinander, oder einmal im Jahr eine halbe?

"Eigentlich hab' ich nie so leben wollen, wie ich jetzt lebe", sagt sie.

Wie meinen Sie denn das?

"Ich wollte immer geistig arbeiten, lesen, schreiben, ein neues Hegelsches System erschaffen. Nach Marx und Luxemburg ist da nicht mehr viel gekommen."

Am Ende der Oderberger, hinter der Mauer, erzählt sie im Gehen (sie muss zurück in den Bundestag), hat ein Aussichtsturm gestanden. Sie hat sich immer wie ein Beobachtungsobjekt gefühlt, im Osten, wie im Zoo. "Ich fand das so dämlich. Da habe ich den Leuten auf dem Turm immer die Zunge rausgestreckt."

Sie hat vergessen, die Fahrbereitschaft zu rufen, die den Abgeordneten zur Verfügung steht. "Wir können zur Kastanienallee laufen", sagt sie, "da fahren Taxen."

Wir können aber auch vor zur Bernauer, das ist näher zum Bundestag.

"Ach ja, können wir ja! Für mich ist da gerade noch die Mauer."

Die meisten kennen sie nicht. Einer, der mit ihr tanzte, meint: "Ich hatte eine Mauer im Arm."

"Also schreiben Sie am besten ein Buch über diese Frau! Ich kauf's. Ich weiß nichts über sie. Vielleicht gibt es sie ja gar nicht, und sie ist nur ein Phantom?" Wenn Michael Leutert, Abgeordneter aus Chemnitz, über seine Kollegin Wagenknecht spricht, dann wie von einer Fremden. Als sie, zusammen mit zwei anderen Abgeordneten aus der Fraktion, am 27. Januar im Bundestag sitzen blieb, wo sie, (nach Leuterts Meinung), wie die anderen hätte aufstehen müssen, war das Maß für ihn voll. Es war nach der Rede von Schimon Peres. Wagenknecht erhob sich nicht zu den Ovationen, weil Peres behauptet hatte, der Iran besitze Nuklearwaffen, und weil er "selbst für Krieg mitverantwortlich ist". Leutert erhob daraufhin auch öffentlich seine Stimme, denn er wollte sich nicht "in Mithaftung" nehmen lassen. Da war er nur noch "das Arschloch, das die Sahra kritisiert". "Die können von mir aus jeden Tag demonstrieren, die Orthodoxen", sagt er, "aber nicht am Tag der Befreiung von Auschwitz, wenn der Repräsentant des Opfervolkes im Raum ist."

Er wird Wagenknecht nicht an die Parteispitze wählen, auch deshalb. Im Grunde ist sie ihm unheimlich, diese Frau, von der er nichts weiß. Eine Stirn, hinter die man nicht schauen kann. Die Haare hermetisch gelegt, seit zwanzig Jahren. Für ihn sind die Haare das Symbol für ein luftdichtes System. Es funktioniert in sich, "aber es ist nicht debattenfähig. Immer nur anprangern, anprangern."

Kurz nach der Bundestagswahl hat die Linken-Fraktion eine Bootsfahrt gemacht, die Havel rauf und runter, alle auf einem Kahn. Sie haben mächtig gebechert, erzählt Leutert, und selbst Hartgesottene tauten auf. Gegen Abend wurde getanzt. Sahra habe abseits gesessen, und nur unter einem Vorwand konnte man sie auf die Tanzfläche holen. Leutert wollte mit ihr tanzen. Eigentlich wollte er ihre Echtheit prüfen. Wer tanzt, ist lebendig. Aber es ging nicht, sagt er. Es ging natürlich schon, irgendwie ging es, sie tanzten ja, auch wenn sie nicht wollte, nur hatte er das Gefühl, dass sie um sich herum eine Mauer hatte. Unberührbar, sagt er. "Ich hatte eine Mauer im Arm. "

Sahra Wagenknechts erste Lehrerin hat einmal zur Mutter gesagt: "Sahra sitzt immer da wie eine abgeklärte alte Lady und wundert sich, was um sie herum so passiert." Das war in der Schule an der Kastanienallee, wo die Straßenbahn fährt. Bis zum sechsten Lebensjahr hat sie bei den Großeltern gelebt, in Jena-Göschwitz. Die Mutter studierte in Berlin und kam an den Wochenenden. Sie hat versucht, ihr Kind zu sich in die Hauptstadt zu holen. Aber nach einer Woche Krippe, nach einer Woche Kindergarten, wurde Sahra krank. Es war, als brauchte sie keine Kinder um sich, und der Mutter blieb nichts, als sie zurückzubringen nach Göschwitz. Auch da klappte es nicht mit dem Kindergarten. So war sie zu Hause und brachte sich das Lesen bei. "Im ganzen Dorf sah man hellhäutig aus", sagt sie, "und ich war dunkler, ich bin schon irgendwie aufgefallen."

Manchmal kamen Kinder auf sie zugerannt und sagten: "Eh, guck mal, wie sieht 'n die aus?" Sahra Wagenknecht sagt: "Das ist so ein Albtraum aus meiner Kindheit. Ich hab' darauf mit einer gewissen Aversion reagiert. Und mein Vater war nicht greifbar, das war anrüchig. Was weiß denn ein Kind, wo Persien ist?"

"Ich hatte immer Fernweh", sagt die Mutter. Da ist sie vorgelaufen zur Autobahn, hat den tröpfelnden Wagen hinterhergeschaut. Einmal, sie war noch nicht zwanzig, ist sie nach Berlin getrampt. Am Bahnhof Friedrichstraße hat sie ihn kennengelernt, diesen jungen Mann aus Persien, der in Westberlin studierte und große Pläne hatte, sein Heimatland zu verändern. Sie trafen sich oft, er konnte rüber als Ausländer, immer 24 Stunden, dann kurz zurück, neuer Stempel, und wieder rüber in den Osten. Sie wurde schwanger. 1972, Sahra war drei Jahre alt, lief seine Aufenthaltsgenehmigung ab. Sie haben sich noch längere Zeit Briefe geschrieben, über Westberlin. Dann kam keine Post mehr. Mutter und Tochter glauben, dass der Vater in einem Folterkeller des Mullahregimes zu Tode kam, aber Gewissheit haben sie nicht.

Die Mutter möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, auch nicht, was sie beruflich macht, auch nicht, wo sie wohnt. Man möge das verstehen, sie habe schlechte Erfahrungen. Einmal haben Rechte ihre Tochter in der S-Bahn nach Karlshorst angepöbelt, es war schon spät. Sie war auf dem Heimweg. "Du rote Sau", haben sie in den Waggon gebrüllt, "wenn du so weitermachst, dann ..." Sie ist die Mutter und will nicht in irgendeinen Fokus geraten.

Eine kleine Frau mit offenem Blick wartet an einem S-Bahnhof in Berlin, in der Nähe ist ein Cafe, das sie ausgesucht hat. Dem Treffen sind mehrere Telefonate vorausgegangen. Zu Ende des letzten Gesprächs hatte sie gesagt: "Sollten Sie etwas Positives über meine Tochter schreiben wollen, kann ich Ihnen gleich sagen, dass es sowieso nicht gedruckt wird."

"Was ihren Intellekt betraf, war meine Tochter nicht satt zu kriegen", sagt die Mutter. Sahra habe im Zimmer gesessen, in der Oderberger, "irgendwie auch asozial", und Mathematikaufgaben gelöst, den Stoff, der Klassen später dran war. Mit zwölf wollte sie Persisch lernen, und die Mutter fand jemanden, der sie unterrichtete. Sie wollte lange weiße Kleider, und die Mutter nähte Kleider. Darauf schrieb Sahra in Goldschrift und auf Persisch Verse des Dichters Hafis.

Dann die Liebe zu Goethe. Sie lernte den Faust auswendig und machte in den Ferien Führungen in Weimar, im Goethehaus. Es kam vor, dass Besucher die junge Frau für eine Statue hielten. Wie sie da stand, im langen weißen Kleid, eine Art Turban um den Kopf gewickelt.

Wenn die Mutter erzählt, klingt es, als seien sie beide nicht in der DDR groß geworden, die 17 Millionen Menschen ihre Heimat nannten. Sie hatten ihr eigenes Land. Es klingt, als habe die Tochter den Sozialismus eher gedanklich durchdrungen. Als sie damit begann, gab es den Osten schon fast nicht mehr.

So oft sehen sie sich nicht, Mutter und Tochter. Aber die Mutter schneidet ihrer Tochter die Haare. So sieht niemand, der nicht soll, das Schwingende und Gelöste, das Weiche.

In Gütersloh, auf dem Marktplatz, Wahlkampf der Linken in Nordrhein-Westfalen, wollen sie alle berühren. Sahra Wagenknecht steht noch hinter der Bühne, als die Band spielt, aber dauernd wird sie fotografiert, legt jemand seine Hand auf ihren Unterarm, als ginge Heilung von ihm aus. Marktplätze sind ihre Sache nicht. Man merkt es daran, dass sie binnen 21 Minuten sechsmal "Verdammt nochmal" sagt, weil das hier ein Marktplatz ist. Hier greift keine Theorie. Sie ist Kopf, aber vor ihr stehen lauter Bäuche. Die Band rumst bis zur Taubheit. Und sie sieht aus, als wolle sie sich über Mozarts Requiem unterhalten. Hier kommt eine Frau, hält sie am Mantel fest.

"Du bist schön", sagt sie, "und ich bin so eine Hartzerin, von der du eben gesprochen hast. Guck mal meine Zähne an! "

Nicht die Zähne wirken in diesem Moment deplatziert, es ist das "Du", das nicht passt. Die junge Frau zeigt ihr Steinbruchgebiss. Wagenknecht hat es eilig, sie muss zum Zug, der nächste Auftritt. Sie guckt auf die Zähne und sagt: "Oh."

Der Zug rollt durch den Ruhrpott. Der Schaffner sucht nach einem bahnwichtigen Thema, das ihn zwingen könnte, noch länger in der Tür des Abteils stehen zu bleiben, in dem diese Schöne sitzt.

Man möchte mit Sahra Wagenknecht über ihren Mann reden. Er stammt aus einer Bonner Beamtenfamilie, macht satirische Bücher und hatte schon zweimal Schwierigkeiten mit der Justiz. Wenn man die Bilder sieht, die er von sich auf seine Website gestellt hat, vermutet man einen Menschen, dem es nicht übermäßig schwer fällt, leicht zu leben. Er wohnt in Irland, in einem reetgedeckten Häuschen. Die Super Illu hat im letzten Herbst zwei Fotos gedruckt und darüber "Das geheime Leben der roten Sahra" geschrieben. Eines zeigt Ralph Niemeyer mit seiner Frau. Sie sitzen auf Stühlen im Garten. Sahra Wagenknecht hat erwirkt, dass die Fotos nicht mehr gedruckt werden dürfen.

Weil ein Mann mit einem Haus in Irland nicht zu einer Kommunistin passt?

Ein Mann mit Haus in Irland. Passt das zur Kommunistin? Sie sagt: Es ist meine Sache.

"Weil das alles Angriffe auf meine Glaubwürdigkeit sind", sagt sie, "man will zeigen: Sie lebt anders als sie behauptet. Und wenn ich mich in einen Mann verliebe, der jeden Tag eine Bank knackt. Das ist meine Sache. Liebe ist ein Bereich, da muss man nichts begründen."

Ihr Telefon klingelt. Es ist ihr Büro. Es geht um den Folgetermin des Folgetermins. Der Schaffner streicht wieder an der Scheibe vorbei. Welcher Marktplatz ist jetzt dran, wo, verdammt noch mal, gesagt werden muss, dass die Mächtigen mit ihrem neoliberalen Weiter-so ein Scheitern verdient hätten bei der Wahl?

Warum haben Sie eigentlich nie nach Ihrem Vater gesucht?

"Ich wollte meine Vorstellung behalten von dem Ort, wo er gelebt hat. Ich habe meinen Vater über alles geliebt, und er hat mich abgöttisch geliebt. Wenn er leben würde ... er hätte sich gemeldet."

So ist ein Loch im Leben der Mutter, und im Leben der Tochter ist auch ein Loch. Sie haben versucht, es auf ihre Weise zu stopfen. Sie haben den Vater im h festgehalten. Er war es, der das h in der Mitte wollte. Den Namen Sahra, sagt die Mutter, habe er ausgesprochen wie Sachra. Ein bisschen kehlig habe das geklungen, Sachra, in seiner Sprache.

Sie haben einfach immer Sahra geschrieben, obwohl es in keinem Ausweis stand. Als Sahra Wagenknecht in den Bundestag gewählt wurde, ist die Sache dann zu schwierig geworden. Also hat sie das ändern lassen mit dem h. Jetzt steht die Welt des Vaters ganz offiziell an ihrem Platz in der Mitte.

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