Sahra Wagenknecht

Zypern ohne Zukunft

Kommentar von Sahra Wagenknecht, erschienen im Neuen Deutschland am 30.03.13

30.03.2013

Was sicher ist, ist nicht sicher. Selbst in Deutschland glaubt eine Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr an das Versprechen von Kanzlerin Merkel, dass die Spareinlagen unantastbar sind. Auch wenn der ursprüngliche Plan einer Zwangsabgabe auf sämtliche Bankguthaben in Zypern gescheitert ist: Das Vertrauen in die Banken ist durch das chaotische Krisenmanagement nachhaltig erschüttert worden. Überall dort, wo künftig die Heuschrecken der Troika auftauchen, werden die Menschen die Banken stürmen, um ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen.

So wie es ist, bleibt es nicht. Das neoliberale Korsett, in das man Europa gezwängt hat, wird durch die Krise aufgesprengt. Erst wurden in ganz Europa Banken verstaatlicht. Nun wurde in Zypern erstmals eine Vermögensabgabe durchgesetzt, ferner soll der aufgeblähte Bankensektor radikal geschrumpft werden. Die Eurogruppe hat von Zypern sogar strikte Kapitalverkehrskontrollen gefordert, obwohl diese nach den EU-Verträgen eigentlich verboten sind. Mit linker Politik hat dies trotzdem wenig zu tun. Wie man inzwischen weiß, diente die Verstaatlichung von Pleitebanken nur der Abwälzung horrender Verluste auf die Allgemeinheit. Die zyprischen Kapitalverkehrskontrollen wiederum waren so löchrig, dass clevere Finanzhaie über Londoner Niederlassungen der zyprischen Banken anscheinend unbehelligt ihr Vermögen abheben konnten. Die an sich richtige Vorgabe zur Schrumpfung des Bankensektors dürfte vor allem russisches Kapital treffen - und daher ein Einzelfall bleiben, den man für andere Länder nicht in Erwägung ziehen wird. Gleiches gilt für die Forderung nach einer Vermögensabgabe, die außerdem viele unschuldige Rentnerinnen und Rentner treffen wird, die ihr Geld in zyprischen Pensionsfonds angelegt haben.

Die Chance, einen eigenständigen Weg aus der Krise zu finden, wurde in Zypern leider vertan. Zwar hatte das zyprische Parlament das erste Diktat der Troika noch abgeschmettert. Doch am Ende beugte man sich der Erpressung und akzeptierte ein »Rettungspaket«, das den Schuldenberg in unbezahlbare Höhen treiben und der Wirtschaft über Kürzungen, Abgaben und Privatisierungen den Todesstoß versetzen wird. »Ihr habt unsere Zukunft zerstört«, riefen Schüler und Studenten in Nikosia und werden damit vermutlich Recht behalten. Doch am Ende wird nicht nur die Bevölkerung in den Krisenländern für die verfehlte Politik bluten müssen. Auch deutsche Steuergelder werden verbrennen, denn eine kaputte Wirtschaft kann auch keine Schulden zurückzahlen.

Dass es möglich ist, der Erpressung durch eine mächtige Finanzelite zu widerstehen, zeigt das Beispiel Island: Dort hatte sich die Bevölkerung in einer landesweiten Abstimmung geweigert, für die Schulden der Banken zu bluten. Die meisten Gläubiger gingen leer aus, die Banken gingen in Konkurs, wurden anschließend vom Staat übernommen und kleinreguliert. Natürlich war diese Abkehr vom Modell Finanzoase nicht ohne schmerzhafte Einschnitte und Anpassungen zu haben. Doch ein Ende mit Schrecken ist allemal besser als der Schrecken ohne Ende, der mit der Übernahme horrender Bankschulden durch den Staat sowie den Kürzungs- und Privatisierungsdiktaten der Troika untrennbar verknüpft ist.