Sahra Wagenknecht

„Die SPD entdeckt Sozialpolitik erst im Wahlkampf“

Sahra Wagenknecht im Interview der taz vom 23.02.2017

23.02.2017

 Vom Vorschlag der SPD halt Sahra Wagenknecht nicht viel. Dennoch wächst ihr Optimismus im Hinblick auf Rot-Rot-Grün


taz: Frau Wagenknecht, auch die SPD will jetzt gegen überhöhte Managergehälter vorgehen. Ist das Problem damit gelöst?
Sahra Wagenknecht: Leider nein. Denn die SPD will ja nicht die Höhe begrenzen, sondern nur die steuerliche Absetzbarkeit. Alle Erfahrung spricht dagegen, dass das große Unternehmen mit Milliardenumsätzen davon abhalten wird, ihre Vorstände in Geld zu baden. Wer das denkt, hat von den Größenordnungen der Kalkulation in einem Konzern keine Ahnung. Das ist ein mutloses und weitgehend unwirksames Gesetz. So wird das nichts mit der von Martin Schulz versprochenen sozialen Gerechtigkeit.


Was wäre Ihre Alternative?
Die Vergütung der Manager sollte gesetzlich in eine feste Relation zu den Löhnen im Unternehmen gesetzt werden. Dann gäbe es ein neues Anreizsystem: Manager würden nicht belohnt, wenn der Aktienkurs steigt, sondern wenn die Löhne steigen. Die Linke fordert, dass ein Manager höchsten 20-mal so viel verdienen sollte wie die unterste Lohngruppe.


In einem Unternehmen, das am unteren Ende nur Mindestlohn zahlt, ergäbe das Managergehälter von unter 400.000 Euro. Wäre eine solche Beschränkung überhaupt zulässig?
Es gibt keinen Grund, warum das nicht verfassungsgemäß sein soll. Laut Grundgesetz soll Eigentum dem Wohle der Allgemeinheit dienen, nicht nur dem der Aktionäre und Manager. Und vielleicht sollte so ein Unternehmen auch aufhören, seine Arbeitnehmer mit Mindestlohn abzuspeisen?


Müssten Sie dann nicht aus Gründen der Gleichbehandlung auch das Einkommen anderer Spitzenverdiener begrenzen, etwa im Sport- oder Showgeschäft?
Bei Managern reden wir über Leitungsaufgaben mit direkter Verantwortung dafür, wie viel andere Menschen verdienen. Deshalb sollte es diese Kopplung dort geben. Generell fordern wir für den Teil des Einkommens, der eine Million Euro im Jahr übersteigt, einen Steuersatz von 75 Prozent – das würde für alle Spitzenverdiener gelten.


Würde die Linke denn trotz der Kritik zustimmen, wenn die SPD ihr Gesetz einbringt?
Natürlich ist es besser, wenn die öffentliche Hand die Selbstbedienungsmentalität der Vorstände nicht noch steuerlich subventioniert. Auch, dass Aufsichtsräte in Zukunft bei schlechter Leistung Bezüge zurückfordern können, ist sinnvoll. Deshalb würden wir das unterstützen. Aber ich fürchte, dass die SPD gar nicht den Mut aufbringt, tatsächlich mal ein Gesetz gegen die Union einzubringen.


Die SPD positioniert sich auch bei anderen sozialpolitischen Themen neu, etwa bei Hartz IV oder grundlos befristeten Jobs. Sind das positive Signale für eine Koalition nach der Wahl?
Ich würde mir das wünschen. Aber es ist schon auffällig, dass die SPD solche Forderungen immer erst im Wahlkampf entdeckt. Die Forderung, Befristungen, für die es keinen sachlichen Grund gibt, zu verbieten, stand auch schon im SPD-Wahlprogramm von 2013. Obwohl es im Bundestag seitdem eine Mehrheit dafür gäbe, wurde sie nicht umgesetzt. Wenn Herr Schulz glaubwürdig sein will, sollte die SPD in den verbliebenen Monaten die vorhandene Mehrheit nutzen. Sonst stärkt das den Verdacht, dass sie es auch nach der Wahl wieder nicht tun wird.


Ob es zu einer Koalition kommt, hängt aber nicht nur an der SPD. Wäre denn auch die Linke zu stärkeren Zugeständnissen bereit, etwa in der Außenpolitik?
In Koalitionsverhandlungen gibt es immer Kompromisse. Die Linke wird keine Kriegspolitik und keine Aufrüstung mittragen. Aber ich bin da nicht pessimistisch. Die Forderung, die US-amerikanisch geführte Nato durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands zu ersetzen, die 1989 schon mal im SPD-Programm stand, wird von der SPD-Linken wieder diskutiert.

 

Interview: Malte Kreutzfeldt