„Wir wünschen uns, dass Rot-Rot eine Mehrheit bekommt.“
Sahra Wagenknecht im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung
Das schöne Gesicht der LINKEN lächelt. Eine große deutsche Zeitung hatte das dieser Tage in Frage gestellt. Sahra Wagenknecht sei verbissen, unnahbar, eine Einzelkämpferin, die nie lacht. Beim Besuch in der SZ Redaktion bestätigt sich dieser Eindruck nicht. Ob es an der heimischen Umgebung liegt? Seit fast fünf Jahren wohnt Wagenknecht mit ihrem Mann Oskar Lafontaine im Merziger Stadtteil Silwingen. Sie wirkt gut gelaunt, frisch, jünger als die 47, die in ihrem Pass stehen. Sie spricht äußerst präzise. Doch ihre Worte gefallen nicht jedem, auch in der eigenen Partei nicht. Vor allem, wenn es um Flüchtlinge geht.
Ob sie Aussagen bereue aus den letzten Monaten? Sie widerspricht vehement: „Wenn ich darauf hinweise, dass in Deutschland über Jahre Polizei abgebaut wurde und sich dadurch die öffentliche Sicherheit verschlechtert hat; wenn ich Frau Merkel vorwerfe, dass sie chaotische Zustände zugelassen hat, in denen wir noch nicht mal wussten, wer ins Land kommt, was soll ich da zurücknehmen? Diese Politik hat viele Menschen verunsichert. Es ist falsch, diese Menschen mit ihren Ängsten der AfD zu überlassen.“
Merkels konzeptionslose Grenzöffnung im Herbst 2015 habe unkalkulierbare Gefahren mit sich gebracht, das hätte nicht sein müssen, findet Wagenknecht. „Probleme zu benennen, das ist nicht rechts. Im Gegenteil: Man hat fahrlässig die AfD dadurch gestärkt, dass man über eine gewisse Zeit so getan hat, als sei Zuwanderung in beliebiger Größenordnung kein Problem.“ Vor allem Merkel sei in der Flüchtlingsfrage inzwischen doch „um 180 Grad gekippt“. Kippt die Kanzlerin jetzt ganz?
Wagenknecht nimmt schon länger eine Wechselstimmung wahr. In den Umfragen habe sich das nur wegen Sigmar Gabriel nicht widergespiegelt, dem unbeliebten SPD-Chef. „Die Stärke von Frau Merkel war immer die Schwäche ihrer Herausforderer. Das hat sich momentan geändert.“ Wagenknecht sagt, die Linke freue sich über Martin Schulz und die Wiederauferstehung der SPD. „Wobei man sagen muss: Schulz hält sich alles offen, er bleibt meistens sehr, sehr vage.“
Dennoch würde sie sich wünschen, „dass die SPD wieder eine sozialdemokratische Partei wird“. Auch strategisch: „Sollte sich die SPD so verändern, dass sie wieder ein Partner für soziale Politik wird, wäre das für uns natürlich positiv. Und es könnte die Lebenssituation von Millionen Menschen verbessern.“
Wobei die Grundpositionen ihrer Partei nicht verhandelbar seien: „Wir gehen in eine Regierung, wenn es die Chance gibt, den Sozialstaat wiederherzustellen, und wenn Deutschland außenpolitisch auf Friedenspolitik umsteuert. Wenn das nicht möglich ist, wenn Herr Schulz Merkels Politik nur mit minimalen Korrekturen weiterführen will, dann setzten wir ihn aus der Opposition unter Druck.“ Klare Worte, doch sie setzt den SPD-Hoffnungsträger noch mehr unter Druck. Der Mann mit saarländischen Wurzeln sei ja plötzlich „die Projektionsfläche vieler Hoffnungen“. Sollten diese Hoffnungen erneut enttäuscht werden, werde am Ende die politische Rechte „noch stärker profitieren“.
Dass es mit der AfD derzeit bergab geht, ist für Wagenknecht keine Überraschung. Viele realisierten, „was das für eine Truppe ist. Und vielen ist das dann doch zu unappetitlich“. Was Schulz für die Wahl im Saarland in vier Wochen bedeutet? Für Wagenknecht steht fest: Wenn Kramp-Karrenbauer weiterregieren kann und die SPD nur die gut 30 Prozent von 2012 erreichen würde, „wäre das sicher auch ein Dämpfer für die allgemeine Schulz- Euphorie“. Die Linke hat aber ganz andere Pläne. „Wir wünschen uns, dass Rot-Rot eine Mehrheit bekommt.“ Das wäre gut für das Saarland, findet sie, mehr Geld für Bildung und Soziales sei dann möglich – und weniger Windkraft: „Es muss nicht auf Teufel komm raus auf jedem Hügel im Saarland ein Windrad stehen.“
Den „sehr speziellen“ Saar- Grünen traut sie den Einzug in den Landtag nicht erneut zu und ohnehin nicht recht über den Weg: „Sie haben im Saarland doch schon eine Mitte-links- Koalition verhindert.“ Auch die Wahlen im Nachbarland Frankreich beschäftigen Wagenknecht. Wieder hat sie eindeutige Ansichten: „Wenn Le Pen zur Präsidentin gewählt wird, ist die EU am Ende.“
Dass diese Wahl oder die Bundestagswahl von finsteren Mächten in Russland beeinflusst wird, hält sie für abwegig. Doch Trump ist Präsident, man muss wohl mit ihm klarkommen. Aber wie? „Wir sollten jedenfalls nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren: Was macht Trump? Sondern wir müssen unsere Interessen definieren. Und im Interesse Europas sind stabile Beziehungen zu Russland. Das ist eine Atommacht und ein militärischer Konflikt mit Russland würde als erstes Europa treffen, und zwar auf verheerende Weise, nicht die USA.“
Spätestens hier gibt sich Wagenknecht als Putin Versteherin zu erkennen. Die Annexion der Krim sei auch ein Ergebnis des Regierungswechsels in der Ukraine gewesen, den die USA unterstützt hätten: „Das ist keine Entschuldigung. Aber nicht wenige Beobachter meinen, er wäre gestürzt worden, wenn er nicht so gehandelt hätte.“ Putin als großer Schreckensmann, damit kann Wagenknecht nichts anfangen: „Putin ist das Oberhaupt eines Oligarchenkapitalismus, aber er ist relativ berechenbar. Stellen Sie sich vor, in Moskau würde ein halbverrückter Nationalist am Atomknopf sitzen. Das wäre extrem gefährlich.“
Könnte stimmen. Zum Lachen ist die derzeitige politische Großwetterlage aber auch so nicht. Wagenknecht lächelt trotzdem hin und wieder. Sie kann es also.