Deutschland feiert sich naiv für Corona-Erfolge – doch Macht fließt längst woandershin
Weitergedacht - Die Wagenknecht Kolumne (Focus)
Amazon, Google, Microsoft, Facebook und Apple sind die großen Gewinner der Coronakrise. Nicht nur ihre Umsätze und Gewinne sind rapide gewachsen, sondern auch ihre Macht. Während Politiker naiv die fortschreitende Digitalisierung feiern, bedeutet die aktuelle Entwicklung für Europa vor allem eins: zunehmende Abhängigkeit.
Die Schlüssel-Infrastruktur des 21. Jahrhunderts einer Handvoll US-Überwachungskonzernen zu überlassen, heißt nicht nur, eine zunehmende Abschöpfung von Werten und Wohlstand zulasten unserer Wirtschaft hinzunehmen. Es bedeutet vor allem, die Chance auf Souveränität und eine an den eigenen Interessen orientierte Politik in Deutschland und Europa endgültig zu verspielen.
Digitalkonzerne sind Gewinner der Krise
Für Amazon-Chef Jeff Bezos ist die Corona-Pandemie ein Sechser im Lotto. Allein im zweiten Quartal 2020 schoss der Umsatz seines Unternehmens im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent auf knapp 90 Milliarden Dollar nach oben. Den Gewinn konnte das größte digitale Kaufhaus der Welt glatt verdoppeln. Persönlich ist Bezos seit Beginn der Krise um über 35 Milliarden Dollar reicher geworden. Ähnlich wie ihm geht es auch den Eigentümern der anderen vier großen Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley. Apple ist mit einer Marktbewertung von 2 Billionen Dollar gerade zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen. Überall sprudeln die Gewinne und wachsen die Barreserven, die sich für neue Expansionsprojekte und Unternehmenskäufe nutzen lassen.
Die Ursachen liegen auf der Hand. Kein Homeoffice ohne Videokonferenz, kein Home-Schooling ohne entsprechende Software. Zoom, Microsoft Teams oder Google Classroom machen‘s möglich. Wem die Maskenpflicht oder die Angst vor Ansteckung die Lust auf Shopping in der Innenstadt nimmt, der kann sich seinen Herzenswunsch ebenso gut durch einen Click auf die Amazon-Webseite erfüllen. Fällt der Erlebnisurlaub aus oder trifft einen gar Kurzarbeit, bleibt jedenfalls mehr Zeit, um Spielfilme beiNetflix oder Amazon Prime zu streamen, Youtube-Videos anzusehen oder im Newsfeed des Facebook-Accounts zu scrollen. Laut einem Bericht der Bank of America ist die Menge an digital erzeugten Daten seit Beginn der Corona- Pandemie um 50 Prozent gewachsen.