Auf YouTube ein Star: Warum Sahra Wagenknecht im Netz so erfolgreich ist
Sahra Wagenknecht im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung, erschienen am 15.06.2022
Völlig losgelöst von der Krise der Linken genießt Sahra Wagenknecht weiterhin höchste Aufmerksamkeit. Wie sie das schafft und was sie noch alles vorhat.
Auf der politischen Bühne läuft es gerade ausgesprochen schlecht für die Linkspartei: Auf die Schlappe bei der Bundestagswahl folgten drei für sie desaströse Landtagswahlen. Das Interesse an den Linken hält sich aktuell erkennbar in Grenzen. Doch eine Genossin agiert völlig losgelöst von diesem Trend: Sahra Wagenknecht. Sie ist präsent und gefragt wie eh und je - mit enormer medialer Reichweite. Über soziale Medien erreicht sie ein Millionenpublikum. Hier sagt sie, wie ihr das gelingt und was sie plant.
Da ist zum Beispiel „Wagenknechts Wochenschau“ auf YouTube, wo sie 498.000 Abonnenten hat. In ihren Videos geht es um „Bessere Zeiten“, wobei schnell deutlich wird, dass sie Deutschland und die Welt weit entfernt sieht von diesem Ziel. Wagenknecht polarisiert, eckt immer wieder an: mit ihren Positionen zu Corona und Impfpflicht genauso wie mit ihren Aussagen zu Russland und dem Ukraine-Konflikt. Den Krieg rechtfertigt sie nicht. Aber wie ein roter Faden zieht sich die Kritik an der Nato-Osterweiterung durch ihre Statements.
„Will Putin Krieg?“ Dieser inzwischen beantworteten Frage ging sie vor vier Monaten in einem besonders stark beachteten Video nach. Sie analysierte, Russland sei von immer mehr Truppen und Raketen „umstellt“ und der Konflikt in der Ukraine „nicht vom Himmel gefallen“. Die Bilanz: Bisher 1,8 Millionen Aufrufe. Genauso erfolgreich ist sie mit einem Video, in dem sie sich mit „Panikmache“ in der Corona-Debatte befasst hat. Aktuell geht es um den „Riesenflopp Tankrabatt“ und die Frage, „wie die Politik die Preise wirklich senken könnte“. 291.000 haben sich das bisher angesehen.
666.000 folgen Wagenknecht auf Facebook
Und YouTube ist nur ein Standbein: Auf Facebook hat Wagenknecht 666.000 Follower, auf Twitter sind es 586.000, auf Instagram 172.000. „Und in absehbarer Zeit“, so verrät sie im Gespräch mit unserer Redaktion, „wird ein TikTok-Account hinzukommen, da diese Plattform gerade von Jüngeren stark genutzt wird.“
Die hohen Zugriffszahlen zeigen nach den Worten von Wagenknecht, „wie viele Menschen Interesse an Politik und dem haben, was ich sage“. Und sie betont: „Das, was die Menschen bewegt, sind meine Themen. Mir ist es wichtig, komplexe Themen und ihre Hintergründe so zu erklären, dass sie verständlich werden“. Viele Menschen haben ihrer Einschätzung nach das Gefühl, „dass Politik über ihre Köpfe hinweg gemacht wird, womit sie ja nicht falsch liegen“. Dem wolle sie mit ihren Internet-Kanälen etwas entgegensetzen.
„Ich verdiene mit meinen Videos kein Geld“
Auf mögliche Einnahmen verzichtet Wagenknecht. „Ich verdiene mit meinen Videos kein Geld und lasse in Videos auf meinem Kanal keine Werbung zu“, sagt sie und erläutert: „Ich finde die Kommerzialisierung von Social-Media-Formaten schwierig, gerade wenn sie in Form von verdeckter Werbung geschieht, die viele Menschen auf Anhieb gar nicht erkennen.“
Und was sind die Pläne der Bestseller-Autorin Wagenknecht? „Im Herbst wird die Taschenbuch-Ausgabe der ‚Selbstgerechten‘ erscheinen, für die ich ein neues längeres Vorwort schreiben werde, das auf die Veränderungen in unserer Gesellschaft und auf der Welt in den letzten anderthalb Jahren eingeht.“
Wagenknechts Buch ist vielfach als Abrechnung mit der eigenen Partei verstanden worden. Doch sie betont: „Es geht in den ‚Selbstgerechten‘ nicht um die Linkspartei, sondern um den Niedergang der gesellschaftlichen Linken in vielen europäischen Ländern, über die Ursachen dafür und mögliche Auswege. Über die Linkspartei hätte ich kein Buch geschrieben.“
Was Wagenknechts nächstes Buchthema sein könnte
Für ein mögliches neues Buchprojekt gibt es noch keine konkreten Planungen, so die Autorin weiter. Doch fände Wagenknecht die Frage spannend, „warum viele Märkte in unserer vermeintlichen Marktwirtschaft nicht mehr funktionieren und wie eine innovativere und gerechtere Wirtschaftsordnung der Zukunft aussehen könnte“. Neuer Zündstoff für Debatten.
Auf YouTube ein Star: Sahra Wagenknecht gefragter denn je | NOZ