"Die Wähler der AfD sind in ihrer übergroßen Mehrheit keine Rechtsradikalen"
Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 25.02.2024
Frau Wagenknecht, Sie wollen mit Ihrer neuen Partei BSW regieren. Mit wem wollen Sie denn Koalitionen bilden?
Die wichtigere Frage ist doch: Was wollen wir für eine Politik?
Aber wir haben gefragt: mit wem?
Das ist eine Frage des Aushandelns, wenn Wahlergebnisse vorliegen. Dann gibt es Gespräche, sicher auch mit der CDU. Als Mehrheitsbeschaffer für ein politisches Weiter-so werden wir allerdings nicht zur Verfügung stehen. (…)
Wir fragen auch, weil sich in Thüringen der Mann hinter Björn Höcke, Stefan Möller, schon auf Sie freut. Er sagt, mit Ihnen könne man in wichtigen Fragen eine Mehrheit bilden. Würden Sie ihm zustimmen?
Wir werden nicht mit Extremisten zusammenarbeiten. Herr Höcke ist ein Rechtsradikaler. Damit haben wir nichts zu tun.
Sie sagen, Sie werden nicht kooperieren, schließen aber nicht aus, dass ein BSW-Antrag mit den Stimmen der AfD zu einer Mehrheit kommt.
Soll eine Regierung zum Beispiel die Bezahlkarte für Flüchtlinge nur deshalb nicht einführen, weil womöglich auch die AfD zustimmt? Was ist das für ein Politikverständnis!
Es kommt drauf an, ob die Mehrheit nur mithilfe der AfD zustande kommen kann. Dann begibt man sich in ein Abhängigkeitsverhältnis.
Deswegen sage ich ja: Wir brauchen in Thüringen wieder eine handlungsfähige Regierung. Aber die entscheidende Frage ist doch nicht, ob die AfD irgendeiner Forderung zustimmt, sondern ob eine Forderung richtig oder falsch ist. Über Jahre haben alle Parteien außer der AfD geleugnet, dass die unkontrollierte Zuwanderung ein Problem darstellt. Menschen erleben aber, dass Wohnungen fehlen, Lehrer überlastet sind, Kinder kein Deutsch können, es kulturelle Konflikte gibt. Durch das Leugnen wurde die AfD stark. (…)
Sie haben Höcke vorhin radikal genannt. Alice Weidel dagegen haben Sie unlängst vor dem Nazi-Vorwurf in Schutz genommen. Wodurch ist sie besser als Höcke?
Frau Weidel vertritt keine rechtsextremen Positionen, sondern konservativ-wirtschaftsliberale. Sie hält aggressive Reden, aber eine völkische Ideologie, also die Annahme, dass sich Nationen nicht über Kultur, sondern über Gene und Blut konstituieren, kann ich bei ihr nicht erkennen. Bei Höcke schon.
Heißt das, mit dem Weidel-Flügel könnten Sie sich vorstellen, zusammenzuarbeiten?
Der konservative Flügel der AfD wird ja immer schwächer, der rechtsradikale, zu dem auch Europa-Spitzenkandidat Krah gehört, stärker. Frau Weidel hat einmal dafür gestimmt, dass Höcke aus der AfD ausgeschlossen wird. Jetzt macht sie für Höcke Wahlkampf. Aber viel wichtiger ist: Die Wähler der AfD sind in ihrer übergroßen Mehrheit keine Rechtsradikalen. Sie sind wütend, wie schlecht unser Land regiert wird, sie sind zu Recht empört über abgehobene Politiker, die sich nur noch in ihrer Blase bewegen und die Probleme der Menschen nicht einmal mehr kennen, geschweige denn lösen.
Zum vollständigen Interview (paywall)