Sahra Wagenknecht

Privatisierung ade

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen in der Tageszeitung "junge Welt" am 28.11.2009

28.11.2009

Der Beutegemeinschaft das Wasser abgraben: Warum sich die Berliner Linke für die Offenlegung der Geheimverträge stark machen muß. Ein Appell an den Landesparteitag

Zehn Jahre sind seit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe bereits vergangen. Während sich die privaten Anteilseigner RWE und Veolia in dieser Zeit über sprudelnde Gewinne in Höhe von fast 700 Millionen Euro freuen konnten, sind die Wasserpreise in der Hauptstadt allein seit 2004 um etwa 30 Prozent gestiegen. Inzwischen liegt Berlin bei den Preisen für Wasser und Abwasser bundesweit auf dem ersten Platz. Hinzu kommt, daß in den Erhalt des Wasser- und Abwassernetzes immer weniger investiert wird, was auf lange Sicht große Risiken für die Bevölkerung birgt.

Welche Folgen es hat, wenn öffentliche Infrastruktur aus Gründen der Profitmaximierung kaputtgespart wird, haben die Berlinerinnen und Berliner vor kurzem bei ihrer S-Bahn erlebt. Kein Wunder, daß immer mehr Menschen Privatisierungen und Geheimverträge ablehnen und sich dafür aussprechen, daß wichtige Dienstleistungen durch die öffentliche Hand erbracht und kontrolliert werden.

Rekommunalisierung

Zwar scheint sich der rot-rote Senat darin einig zu sein, daß die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe im Jahr 1999 ein schwerer Fehler war. Die Frage ist nun aber, ob man diese rückgängig machen kann, ohne Milliardenbeträge für Entschädigungen und Vertragsstrafen zahlen zu müssen. Die Initiatoren des Volksbegehrens »Schluß mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« gehen davon aus, daß es eine kostengünstige Möglichkeit der Rekommunalisierung gibt. Da die 1999 geschlossenen Geheimverträge mit den Renditegaran­tien für die privaten Anteilseigner eines Monopolunternehmens zumindest teilweise geltendes Recht unterlaufen dürften, setzen sie sich für eine umfassende Offenlegung der Verträge ein –­in der Hoffnung, sie anschließend durch öffentlichen Druck bzw. eine Nichtigkeitsklage aus der Welt schaffen zu können.

Doch darf man umstrittene Verträge einfach offenlegen, obwohl der Berliner Senat den Investoren seinerzeit die Geheimhaltung versprochen hat? An dieser Frage scheiden sich noch immer die Geister. Bereits im März 2008 wurde das Volksbegehren »Schluß mit Geheimverträgen« aufgrund rechtlicher Bedenken vom Senat gestoppt. Im vergangenen Monat urteilte nun allerdings der Berliner Verfassungsgerichtshof, daß das Volksbegehren zur zweiten Stufe zugelassen werden muß. Zwar hat das Gericht nicht geklärt, ob das vom Volksbegehren vorgeschlagene »Gesetz zur Publizitätspflicht im Bereich der Berliner Wasserwirtschaft« mit Bundesrecht vereinbar ist. Allerdings vertrat es die Auffassung, daß Rechtsgeschäfte, die den Kernbereich der Wasserwirtschaft betreffen, nicht dem öffentlichen Recht entzogen werden können. Das Land Berlin bleibt also – trotz der privatrechtlichen Form der Verträge mit den Investoren –für die Regelung der Wasserwirtschaft verantwortlich.

Wird der rot-rote Senat den Rückenwind des Urteils für eine Offenlegung der Verträge nutzen? Auf den ersten Blick scheinen die Chancen hier gar nicht so schlecht. So hat sich der Landesparteitag der SPD am 10. Oktober mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, ein Gesetz einzubringen, das den Forderungen des Volksbegehrens entspricht. Doch leider wollen weder der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit noch Finanzsenator Ulrich Nußbaum im Sinne dieses Beschlusses tätig werden. Im Gegenteil: Sie halten das Volksbegehren für verfassungswidrig und argumentieren, daß die Folgen einer Offenlegung für Berlin nachteilig und nicht zu verantworten wären. Ferner würde eine derartige Offenlegung »die Wettbewerbs- und Verhandlungsposition des Landes Berlin in künftigen Verfahren erheblich beeinträchtigen«, da »sämtliche Bieter potentieller anderer Privatisierungen wüßten, zu welchen Konditionen das Land Berlin Verträge abschließt«, ließen sie am 27. Oktober in einer gemeinsamen Stellungnahme verlauten.

Juristische Bedenken

Diese Argumentation ist gleich doppelt absurd. Denn zum einen sind weitere Privatisierungen im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Die Linke in Berlin ausdrücklich ausgeschlossen. Zum anderen würde eine Offenlegung der Verträge beweisen, daß der Senat sich gegen überzogene Forderungen privater Investoren zu wehren weiß und nicht bereit ist, derartige Beutegemeinschaften zu Lasten der Allgemeinheit noch länger zu dulden. Gerade das Land Berlin täte gut daran, ein derartiges Zeichen zu setzen – hat man sich doch auch bei den Verträgen mit der Deutschen Bahn über den Betrieb der Berliner S-Bahn allem Anschein nach übertölpeln lassen.

An diesem Wochenende hat nun Die Linke in Berlin Gelegenheit, sich den Forderungen des Volksbegehrens »Schluß mit Geheimverträgen« anzuschließen. So wird gleich in mehreren Anträgen an den am Samstag in Lichtenberg tagenden Landesparteitag gefordert, den Gesetzentwurf des Volksbegehrens zur Offenlegung der Geheimverträge unverändert in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen bzw. den Beschluß des SPD-Landesparteitages vom 10. Oktober zu unterstützen. Ein weiterer Antrag, eingereicht vom Landeschef der Linken, Klaus Lederer, und dem Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf, formuliert zwar das politische Ziel, die Geheimverträge offenzulegen und alle vertraglichen Regelungen zu beseitigen, die »den öffentlichen Mehrheitseigentümer an die Renditeinteressen der privaten Gesellschafter binden und ihn diesen unterordnen«. Der Vorschlag des Volksbegehrens wird jedoch als »rechtlich nicht tragfähig« abgelehnt, da die privaten Investoren aus dem Vertragsverhältnis Rechte hätten, die man respektieren müsse. Warum es ausgerechnet Aufgabe der Linken sein soll, private Investoren zu verteidigen, die selbst kein Problem damit haben, in ihrem Streben nach üppigen Renditegarantien gegen geltendes Recht zu verstoßen, bleibt allerdings fraglich.

Wie weiter?

Der Kampf um die Offenlegung der Verträge im Bereich der Berliner Wasserwirtschaft ist nicht nur eine Berliner Angelegenheit. Sollte es hier gelingen, umstrittene Renditegarantien zu kippen, hätte dies bundesweit Signalwirkung und würde Bewegungen gegen Privatisierungen auch anderswo Aufschwung verleihen. Die Linke in Berlin sollte sich diese Steilvorlage nicht entgehen lassen und gemeinsam mit der SPD-Basis und den Initiatoren des Volksbegehrens für eine umfassende Offenlegung der Privatisierungsverträge streiten. Wie Klaus Lederer und Harald Wolf in ihrem Antrag selbst schreiben: »Die Auslegung von Recht ist immer politisch umkämpft.« Statt die eigenen Handlungsspielräume in vorauseilendem Gehorsam unnötig einzuengen, muß gerade eine Regierung, an der Die Linke beteiligt ist, den eigenen Handlungsspielraum stetig erweitern – indem gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen Druck von unten aufgebaut und ausgeübt wird.

Sahra Wagenknecht ist Mitglied des Bundesvorstands der Partei Die Linke und wirtschaftspolitische Sprecherin der gleichnamigen Fraktion im Bundestag