„Missbrauch von Bürgergeld gehört eingedämmt“

Deutschland
, 21. März 2024

Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen in der FAZ am 20.03.2024

 

Die BSW-Parteigründerin und frühere Spitzenfrau der Linken erläutert im Interview ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik. Und sie erklärt, warum sie weniger Mindestlohn fordert als die Linke.

…Sie kritisieren, dass das Bürgergeld der „falsche Ansatz“ sei. Wird dafür auch zu viel Geld ausgegeben?

Wer vom Bürgergeld lebt und sonst keine Einnahmen hat, ist arm. Und Armut ist ein ernstes Problem, das vor allem viele Alleinerziehende und zunehmend auch ältere Men- schen trifft. Zugleich lässt sich nicht leugnen, dass sich ein Modell „Bürgergeld plus Schwarzarbeit“ verbreitet. Wer es so macht, steht am Ende eher besser da als viele, die Vollzeit arbeiten. Ganz legal ist „Bürgergeld plus Minijob“, mit dem man annähernd das Einkommen ei- nes Vollzeitbeschäftigten zum Min- destlohn erreicht. Das ließe sich durch höhere Mindestlöhne ändern.

Was am Bürgergeld wollen Sie ändern?
Schon der Name „Bürgergeld“ ist falsch. Es soll ja nicht Bürger mit Geld versorgen, sondern Arbeitslose absichern, die schuldlos ihren Job verloren haben und zunächst keinen neuen finden. Dabei ist es eine grobe Ungerechtigkeit, dass jemand, der sein Leben lang gearbei- tet hat und mit Mitte 50 seine Arbeit verliert, schon nach kurzer Zeit auf dem gleichen Armutslevel landet wie jemand, der nie gearbeitet hat. Wir brauchen eine Arbeitslosenversicherung, deren Leistung sich längerfristig am Einkommen vor der Arbeitslosigkeit orientiert.

Sozialverbände fordern, den Bürgergeld-Regelsatz von heute 563 auf 813 Euro zu erhöhen. Wollen Sie das auch?
Wenn die Schlangen vor den Tafeln immer länger werden, zeigt das, dass man von den Leistungen offenbar nicht leben kann. Man sollte vor allem die besserstellen, die es wirklich brauchen. Für eine pauschale Erhöhung des Bürgergelds gibt es so lange keine Akzeptanz in der Bevölkerung, solange Missbrauch nicht stärker eingedämmt wird. Die meisten unterstützen, dass eine Mutter mit Kind mehr Geld erhält, damit das Kind nicht in Armut aufwächst. Aber sie wollen nicht, dass auch die profi- tieren, die den Staat und ihre Mit- menschen betrügen.

Sind Sie dafür, Sozialleistungen zu kürzen, wenn sich jemand nicht kooperativ verhält?
Die Gesellschaft kann erwarten, dass Menschen zumutbare Arbeit annehmen. Das Problem ist, dass die Kriterien dafür, was als zumutbare Arbeit gilt, mit Hartz IV stark abgesenkt wurden. Menschen mussten auch prekäre Arbeit zu Armutslöhnen annehmen, selbst wenn sie qualifiziert waren. Auf dem Papier gilt das immer noch, es wird nur immer weniger davon Gebrauch gemacht, und es wird kaum noch kontrolliert, was die Menschen wirklich machen.

Sind Sie nun für oder gegen die Möglichkeit von Leistungskürzun- gen?
Vor allem sollten Arbeitslosen sinnvolle Qualifizierungen angeboten werden und dann auch verpflichtend sein. Im Bürgergeld sind ja viele Menschen, die keine abge- schlossene Berufsausbildung haben. Wer eine Qualifizierung beginnt, sollte dafür belohnt werden, allerdings sollte es auch Konsequenzen haben, wenn sie einer ablehnt oder abbricht….

Zum Interview (paywall)

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