Sahra Wagenknecht

"Sie verpulvern das Steuergeld von Millionen Menschen!"

Erklärung von Sahra Wagenknecht zur Abstimmung des Bundestags am 29.09.2011 über eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms

29.09.2011

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Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen: Ich habe selten eine Parlamentsdebatte im Deutschen Bundestag erlebt, in der so viel und so schamlos geheuchelt und gelogen wurde wie in der heutigen Debatte.

(Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das ist doch Ihr Metier! ‑ Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Oh!)

Ich habe gegen die Erweiterung des sogenannten Euro-Rettungsschirms gestimmt;

(Max Straubinger (CDU/CSU): Jo mei!)

denn durch diesen Euro-Rettungsschirm wird die europäische Währung nicht gerettet, und schon gar nicht werden die Lebensverhältnisse der Menschen in Europa abgesichert und gerettet. Das Einzige, was durch diesen Rettungsschirm wirklich gerettet wird, sind die Gewinne der Banken, der Hedgefonds und der Spekulanten, und das ist perfide.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass Sie das hier dann auch noch mit schönen Worten und schönen Ideen verklären, ist unglaublich, zumal Sie den Leuten noch nicht einmal reinen Wein darüber einschenken, wie hoch die Haftung wirklich ist, die hier eingegangen wird ‑ gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Pläne zur weiteren Hebelung.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Nebelkerze!)

Das ist kein Programm für weniger Schulden, sondern das ist ein Programm für mehr Schulden und mehr Verschuldung,

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ohne Hand und Fuß!)

und zwar einerseits in der Bundesrepublik Deutschland, wenn nämlich all diese Bürgschaften irgendwann tatsächlich bedient werden müssen, und andererseits ist es ein Programm für mehr Schulden und mehr Verschuldung in den betroffenen Ländern, denen damit angeblich geholfen werden soll. In Wirklichkeit müssen diese Länder ihre Wirtschaft aber mit martialischen Sparprogrammen in die Knie zwingen. Es sollte Ihnen schon irgendwie zu denken geben, dass Griechenland eineinhalb Jahre nach Beginn der angeblichen Rettung 20 Milliarden Euro mehr Schulden als vorher hat.

Wer Schulden wirklich reduzieren will, der muss erstens auch Vermögen reduzieren, aber bitte schön nicht die Vermögen der einfachen Leute, die mit diesem ganzen Desaster nichts zu tun haben, sondern bitte schön die Vermögen derer, die profitiert haben von der steigenden Staatsverschuldung,

(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger (CDU/CSU): So wie es die Kommunisten immer getan haben!)

profitiert haben von Steuerdumping, profitiert haben von der Bankenrettung, profitiert haben von der ganzen Spekulation. Es ist doch kein Zufall, dass die Vermögen der Millionäre und Multimillionäre in Europa in den letzten Jahren ähnlich explodiert sind wie die Schulden der Staaten. Das hängt doch zusammen. Das sind zwei Seiten einer Medaille.

(Max Straubinger (CDU/CSU): So wie SED und PDS es in der Vergangenheit getan haben!)

Darüber reden Sie nicht, weil Sie darüber nicht reden wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer Schulden wirklich reduzieren will, der muss zweitens dieses aberwitzige System beenden, das dafür sorgt, dass die Finanzierungsspielräume der Staaten am Ende davon abhängen, ob Banker oder Ratingagenturen den Daumen heben oder senken. Das ist ein völlig absurdes System. Wer nichts dafür tut, die Staaten aus der Geiselhaft dieser Finanzhaie zu befreien, der hat die Demokratie abgeschrieben.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Warum war denn die Staatsbank in der DDR pleite?)

Sie haben die Demokratie abgeschrieben, und Sie haben auch abgeschrieben, einen wirklichen Ausweg aus dieser Krise zu finden, und zwar nicht, weil es keine Auswege gibt, sondern weil Sie alle ‑ die Regierung und auch die angebliche Opposition aus SPD und Grünen, die heute wieder einmal belegt hat, dass sie mit der Regierung in solchen Fragen absolut einer Meinung ist ‑ schlicht und ergreifend zu feige und zu devot sind, eine Politik zu machen, die sich mit den Bankern anlegt und die gegen die Banker gerichtet ist. Das tun Sie alle nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Weg, den Sie gehen, ist unverantwortlich, denn es ist das hart erarbeitete Steuergeld von Millionen Menschen, das hier verpulvert wird, um die Ackermänner zufriedenzustellen. Der Weg, den Sie gehen, ist ökonomischer Aberwitz, denn er wird am Ende sehr wahrscheinlich die Währungsunion sprengen. Und der Weg, den Sie gehen, ist antieuropäisch, denn er trägt dazu bei, das Vertrauen der Menschen in das europäische Projekt restlos zu untergraben. Das ist das eigentliche Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen meine ich: Jeder, dem die europäische Idee oder die ökonomische Vernunft irgendwie am Herzen liegt, musste bei dieser Abstimmung gegen die Erweiterung des sogenannten Rettungsschirms stimmen.

(Beifall bei der LINKEN)