Sahra Wagenknecht

Rettet die Rente!

Kommentar von Sahra Wagenknecht, erschienen im Neuen Deutschland am 08.10.2012

08.10.2012

Die Rente ist nicht mehr sicher. Wer nicht überdurchschnittlich verdient, muss im Alter mit Armut rechnen, selbst wenn er ständig in die Rentenkasse eingezahlt hat. Dabei sind kontinuierliche Erwerbsbiografien heute deutlich seltener geworden. Wer sich von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln, von unregelmäßigen Aufträgen oder einem Minijob leben muss oder nicht in der Lage ist, bis zum Alter von 67 Jahren durchzuarbeiten, wird weniger Jahre in die Rentenkasse einzahlen können als nötig. Doch je weniger Menschen im Alter auf eine auskömmliche Rente hoffen dürfen, desto größer ist die Gefahr, dass das gesetzliche Rentensystem vollständig ausgehöhlt wird. Denn wer im Alter von der gesetzlichen Rente nichts zu erwarten hat, den wird es auch nicht stören, wenn die entsprechenden Beitragssätze weiter abgesenkt oder ganz abgeschafft werden - im Gegenteil.

Wie kann massenhafte Altersarmut verhindert und das gesetzliche Rentensystem wieder instand gesetzt werden? Ministerin von der Leyen schlägt eine Zuschussrente vor, die allerdings nur jene erhalten sollen, die zusätzlich zu ihren gesetzlichen Versicherungsbeiträgen privat vorgesorgt haben. Vor allem Geringverdiener sollen so zum Abschluss eines Riester-Vertrags genötigt werden. Die Versicherungskonzerne dürften sich hierüber freuen, werden doch so weitere Milliardensummen in ihre Kassen gespült und neue Finanzblasen genährt, die irgendwann platzen. Geringverdienern hingegen wäre kaum geholfen, denn diese können zusätzliche Beiträge für einen Riester-Vertrag schlicht nicht aufbringen. Hinzu kommt, dass die Rendite aus derartigen Verträgen meist so gering ist, dass man das Geld genauso gut in die Matratze stecken könnte.

Der Vorschlag der SPD ist nicht viel besser. Er sieht vor, dass die Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus durch Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge kompensiert wird. Mal abgesehen davon, dass dies für kleine Betriebe kaum praktikabel ist, setzt auch dieses Modell auf steuerliche Subventionen für private Finanzkonzerne, denn auch die Betriebe dürften einen Großteil der Rentenbeiträge in Finanzprodukte stecken und dadurch der Spekulation ausliefern. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Betriebsrenten an das Schicksal der Unternehmen gekoppelt sind - und was mit der eigenen Rente passieren kann, wenn der langjährige »Arbeitgeber« Pleite geht, haben zuletzt zigtausende Beschäftigte von General Motors bitter erfahren müssen.

Es ist traurig aber wahr, dass sich allein DIE LINKE für die umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung starkmacht, statt die Finanzhaie zu füttern. Doch wer will, dass alle Menschen im Alter von der gesetzlichen Rente leben können, muss erstens dafür sorgen, dass alle eine gut bezahlte Arbeit haben! Der Niedriglohnsektor muss ausgetrocknet, ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro die Stunde eingeführt, Leiharbeit und Zeitverträge abgeschafft bzw. eingedämmt werden. Zweitens muss die Rente mit 67 sowie die Absenkung des Rentenniveaus von einst 53 Prozent auf 43 Prozent zurückgenommen und die paritätische Finanzierung der Rentenversicherung wiederhergestellt werden. Statt private Versicherungskonzerne zu subventionieren, sollten die Steuerzuschüsse für die Riester-Rente der Gesetzlichen Rentenversicherung im Kampf gegen die Altersarmut zugutekommen. Kurz: Die zwei zen-tralen »Reformen« der Agenda 2010 müssen rückgängig gemacht werden. Mit der CDU unter Merkel oder einer SPD, die Steinbrück zum Kanzlerkandidaten ausruft, wird dies leider nicht zu machen sein.