Niemand kann Wunder vollbringen
Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen im Neuen Deutschland vom 22.01.2013
nd: Sie konnten das Ruder in Niedersachsen nicht herumreißen. Ist die Niederlage damit auch Ihre persönliche?
Wagenknecht: Es ist nicht die erste Landtagswahl in den alten
Bundesländern, die nicht gut für uns lief. Und ich war nicht die einzige
Bundespolitikerin unserer Partei, die in Niedersachsen gekämpft hat.
Nahezu alle haben sich engagiert, weil diese Wahl so wichtig war. Wir
haben gehofft, dass wir das Ruder noch herumreißen können. Aber das ist
leider nicht gelungen.
Warum hat die LINKE die Hälfte ihrer Wähler verloren?
Ein großes Problem war die Suggestionskraft der Umfragen. Fast in jedem
Artikel wurde den Wählern mitgeteilt, dass wir bei drei Prozent stehen
und deshalb keine Chance haben. Wurde in den Medien die Sitzverteilung
im künftigen Landtag durchgespielt, kam die Variante mit einem möglichen
Einzug der LINKEN nicht vor. Wir hatten die geballte Medienmacht gegen
uns, das hat leider funktioniert.
Man könnte auch sagen, die Stimmung wurde richtig eingeschätzt.
Es war eher eine sich selbsterfüllende Prophezeiung. In einer Umfrage
von Infratest Dimap lagen wir in der letzten Woche bei 4,5 Prozent. Doch
die wurde nirgendwo publiziert. Zudem stand medial das
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün im Mittelpunkt.
Beides zusammen hat es uns sehr schwer gemacht.
Die LINKE hat sich Rot-Grün offensiv als Unterstützer angeboten.
Jetzt werden sicher Forderungen nach mehr Radikalität und
Eigenständigkeit der Partei laut. Ist der konstruktive Kurs gescheitert?
Wir haben uns der SPD nicht angeboten, sondern gesagt, dass wir zu
Verhandlungen bereit sind, wenn sich ihre Politik in unsere Richtung
bewegt. Es war immer klar, dass es keine Zusammenarbeit zum Nulltarif
geben würde.
Es war die dritte Niederlage in Folge im Westen. Ist die Westausdehnung gescheitert?
Die LINKE ist eine gesamtdeutsche Partei. Wir werden die nächste
Bundestagswahl nur mit einem starken Ergebnis im Westen gewinnen. Wer
das in Abrede stellt, kann nicht rechnen und gefährdet unseren Einzug in
den Bundestag.
Bislang hieß es, eine Partei, die sich streitet, wird nicht gewählt.
Nun läuft es harmonisch, gewählt wird die LINKE trotzdem nicht.
Vertrauen kaputt zu machen, geht viel schneller, als Menschen wieder
von der LINKEN zu überzeugen. Die Parteiführung hat im letzten halben
Jahr viel geleistet. Aber niemand kann Wunder vollbringen. Zudem gab es
leider unsolidarische Querschüsse bis zum Schluss. Landtagswahlen hängen
gerade in den alten Bundesländern stark vom Bundestrend ab. Bei der
Niedersachsenwahl 2008 waren wir auf Bundesebene zweistellig, derzeit
stehen wir bei maximal acht Prozent. Das war eine andere Ausgangslage.
Auch die Grünen hatten es lange schwer, in Landtage einzuziehen. Wir
müssen unsere Parteistrukturen an der Basis auf- und ausbauen. Nur dann
kann es in Zukunft anders laufen.
Interview: Ines Wallrodt