Bankenrettung vor Gericht
Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen im Neuen Deutschland am 17.06.2013
Das Bundesverfassungsgericht eröffnete letzte Woche das Hauptverfahren zur Eurorettung. Kläger sind neben der Bundestagsfraktion DIE LINKE unter anderem der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) sowie der Verein »Mehr Demokratie«. Im Mittelpunkt der Klage stehen der permanente Rettungsschirm ESM, der Fiskalpakt sowie die Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Sie kauft diese Papiere den Banken ab, weil direkte Kredite an Eurostaaten durch die EU-Verträge verboten sind.
Die Medien sahen in der Verhandlung ein Duell zwischen EZB und Bundesbank. Die Bundesbänker kritisierten, dass der Aufkauf der Staatsanleihen von Banken gegen das Verbot der »monetären Staatsfinanzierung« verstoße. Die Käufe könnten die Zinsen für Staaten senken und so den »Reform-Druck« auf Löhne und Sozialstaat verringern. Finanzminister Wolfgang Schäuble hingegen meinte, die EZB stehe über dem Grundgesetz - ein deutsches Gericht habe daher nichts zu melden.
Sie alle irren: Der Euro steht nicht über dem Grundgesetz. Rettungsschirm sowie Anleihekäufe nützen vor allem den Banken, wie auch Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz kritisiert. Außerdem verlangt die EZB für ihre Intervention brutale Kürzungspakete. Die Zentralbank erpresst die Demokratien in den Krisenstaaten.
Der ESM verpfändet 700 Milliarden Euro Steuergelder, um Staatsschulden für die Finanzmafia einzutreiben. Diese sind jedoch Ergebnis von Krise, Bankenrettung sowie Steuergeschenken für Reiche. Eine kontrollierte Schrumpfung des Finanzsektors bzw. Teil-Insolvenz der Banken ist stattdessen nicht vorgesehen. Selbst der Internationale Währungsfonds gab jetzt zu, dass der Euro-Crash-Kurs gescheitert ist. Statt wie in Griechenland mit neuen Schulden den Finanzhaien alte Schulden abzukaufen, hätte es einen echten Schuldenschnitt erfordert.
Von Anleihekäufen profitieren vor allem Banken und Vermögende. Ihre Bilanzen werden saniert, sie werden riskante Papiere los. Daher reagieren die Börsen auf die Käufe der US-Zentralbank euphorisch. Die britische Zentralbank gab zu, dass ihre Anleihekäufe vor allem den reichsten fünf Prozent nutzen. Nicht anders in Europa: Zombie-Banken parken Liquidität bei der EZB oder spekulieren. Kredite für Unternehmen vergeben sie nicht. Warum sollten sie auch? Die Renditen auf den Finanzmärkten sind höher, die Steuerzahler haften und investieren will eh niemand, wenn die Troika Sparbomben regnen lässt. DIE LINKE fordert daher direkte Staatskredite der EZB, um öffentliche Investitionen zu finanzieren und das Geschäft der Banken mit der Staatsverschuldung zu stoppen.
Der Fiskalpakt verordnet Europa durch Kürzung der Staatsausgaben Depression wie in Griechenland. Er ist einseitig unkündbar und daher ein Anschlag auf die Demokratie. Das Königsrecht der Parlamente - die Haushaltspolitik - liegt nun faktisch bei ESM und EZB bzw. den Finanzmärkten.
Doch es geht in Karlsruhe nicht um Sekt oder Selters. DIE LINKE erwartet nicht, dass das Verfassungsgericht die Eurorettung untersagt. Die Euroretter wollen Zombie-Banken künstlich beatmen sowie Demokratie und Sozialstaat abwickeln. Diesen Putsch stoppt man nicht vor Gericht, sondern an den Wahlurnen und auf der Straße. Es wäre daher schon ein Erfolg, wenn die Richter die Bankenrettung via ESM und EZB erschweren und nicht etwa an zusätzliche Kürzungsdiktate knüpfen. Denn das Grundgesetz soll Demokratie und Sozialstaat schützen, nicht den Euro oder die Banken.