"Der Linken-Führung sind Klimakleber wichtiger als normale Leute"
Sahra Wagenknecht im Interview mit der Berliner Zeitung, erschienen am 23. Juni 2023
Im Herbst soll sich entscheiden, ob Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründet. Ihre Äußerungen hier im Interview zeigen: Es sieht nach einem Ja aus.
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Berliner Zeitung: Sie sind also nach wie vor der Meinung, dass wir die dümmste Regierung Europas haben, wie Sie in ihrer jüngsten Rede im Bundestag formuliert haben?
Ja, sie ist ja leider nicht klüger geworden. Eher im Gegenteil. Ich habe das gesagt, als Habeck sein Heizungsgesetz noch gar nicht vorgelegt hatte und viele andere Dinge gab es auch noch nicht. Warum müssen wir uns jetzt auch noch in einen Clinch mit China begeben? Wir sollten zusehen, dass wir zu starke Abhängigkeiten reduzieren, das ist richtig. Aber China ist einer unserer wichtigsten Absatzmärkte, wir exportieren dorthin sehr viel mehr als die USA. Sanktionen und Wirtschaftskriege schaden uns als rohstoffarmem und exportstarkem Land ungleich mehr als den Amerikanern. Wir sollten daher endlich unsere Interessen sehen und nicht machen, was das Weiße Haus sich wünscht, das in vieler Hinsicht andere Interessen hat. Auch die sogenannte Sicherheitsstrategie, die jetzt vorgelegt wurde, geht sehr stark in die amerikanische Richtung.
Berliner Zeitung: Wie meinen Sie das?
Die Bundeswehr muss in der Lage sein, unser Land zu verteidigen, aber blinde Aufrüstung nützt nur den Rüstungskonzernen. Und eine Sicherheitsstrategie, in der der Terrorangriff auf unsere Energieinfrastruktur - die Sprengung von Nordstream - noch nicht mal erwähnt wird, ist schon eine seltsame Sache. Wir müssen mit den USA gute Handelsbeziehungen haben, aber wir brauchen sie auch mit China, wir brauchen sie auch mit anderen Ländern. Und was wir nicht brauchen ist eine Außenministerin, die mit erhobenem Zeigefinger und einer moralischen Überheblichkeit durch die Welt reist, die ihr überhaupt nicht zusteht und für die wir in immer mehr Ländern nur noch mitleidig belächelt werden.
Berliner Zeitung: Wenn man Sie so reden hört, dann ist schon klar, dass Sie eher Lust darauf haben, weiter Politik zu machen, als nur publizistisch zu wirken, oder?
Natürlich wünsche ich mir, dass ich etwas dazu beitragen kann, dass diese unsägliche Politik nicht fortgesetzt werden kann. Ich bin in die Politik gegangen, weil ich etwas bewegen will. Aktuell besteht eine große Gefahr, dass Deutschland absteigt und seine Industrie verliert. Vieles funktioniert bei uns einfach nicht mehr: von überfüllten Klassenzimmern über kaputtgesparte Krankenhäuser bis zu maroden Brücken und einer notorisch unpünktlichen Bahn. Wenn es eine Partei gäbe, die für wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Meinungsfreiheit steht, und diese Partei bekäme ein zweistelliges Wahlergebnis, dann würde das die Regierungspolitik selbst dann verändern, wenn man selbst nicht Teil der Regierung wäre. Davon bin ich überzeugt.
Berliner Zeitung: Haben Sie keine Befürchtung, die Linke zu spalten und damit alle an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern?
Das glaube ich nicht. Unser Wählerpotential wurde ja auch gemessen, es lag bei 20 bis 25 Prozent. Natürlich sind das nicht eins zu eins auch Wählerstimmen, das weiß ich. Aber dass wir ein zweistelliges Ergebnis bekommen können, wenn wir keine großen Fehler machen, ist nicht unrealistisch - und das brauchen wir auch, wenn wir Politik verändern wollen.
Berliner Zeitung: Sie sagen, dass Sie die Parteineugründung erst zum Herbst entscheiden wollen. Aber eigentlich läuft doch alles darauf zu, oder?
Das Problem ist, dass eine Parteigründung etwas anderes ist als meinetwegen ein Buchprojekt. Eine Partei gründet nicht ein Mensch allein. Da braucht es viele gute Mitstreiter, Strukturen, Organisation. Das ist nicht meine Stärke. Man kann eine Partei nicht starten, wenn man nicht einen ausreichend gut organisierten Unterbau hat, sonst riskiert man, dass die Partei sich nach kurzer Zeit wieder zerlegt.
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Das ganze Interview finden Sie hier