Millionärssteuer ist die beste Schuldenbremse
Interview mit Sahra Wagenknecht auf www.linksfraktion.de vom 19.03.2012
Sahra Wagenknecht, 1. stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über die Bedeutung einer Millionärssteuer in Deutschland, warum es dabei nicht um Neid, sondern um Gerechtigkeit geht und wie eine Millionärssteuer dazu beitragen kann, die Finanzkrise zu meistern
Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag setzt sich in dieser
Sitzungswoche mit einem Antrag zum wiederholten Mal für eine
Millionärssteuer ein. Warum braucht Deutschland eine Millionärssteuer?
Sahra Wagenknecht:
In Deutschland verfügen knapp
830.000 Millionäre über ein Vermögen von 2,2 Billionen Euro. Das ist
mehr, als Bund, Länder und Kommunen zusammengenommen an Schulden haben.
Und während die Reallöhne seit Jahren sinken und soziale Leistungen
zusammengestrichen werden, hat das Vermögen des reichsten ein Prozent
der Bevölkerung sogar in der Krise noch zugelegt: Im Schnitt konnten
Millionäre in Deutschland seit 2003 ihr Vermögen um acht Prozent pro
Jahr steigern, Milliardäre sogar um zehn Prozent. Diese Umverteilung von
unten nach oben muss beendet werden. Nicht nur aus Gründen der
Gerechtigkeit, sondern auch weil diese Umverteilungspolitik die
Spekulation anheizt und zu Krisen führt, die dann wiederum die
öffentlichen Haushalte belasten.
Gegner der Millionärsteuer sprechen gern von einer Neidsteuer. Warum ist eine Millionärssteuer gerecht?
Weil sich die krasse Ungleichheit der Vermögen durch nichts
rechtfertigen lässt. Das reichste Zehntel der Bevölkerung besitzt
mindestens zwei Drittel des gesamten Vermögens, dagegen ist der Anteil
der untersten 70 Prozent am Gesamtvermögen auf unter zehn Prozent
gesunken. Ein anderes Beispiel: Der Konzernchef von VW hat in diesem
Jahr 17,5 Millionen Euro kassiert, das ist fast tausendmal so viel wie
ein Leiharbeiter im selben Konzern verdient. Mit Leistungsunterschieden
hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Die allermeisten Millionäre
haben für ihr Vermögen nicht einmal arbeiten müssen. Sie haben es
einfach geerbt. DIE LINKE ist der Ansicht, dass sie dann wenigstens
ordentlich Steuern zahlen sollen. Es kann doch nicht sein, dass ein
Millionär prozentual weniger Steuern zahlt als seine Putzfrau.
Die Millionärsteuer steht wegen der Bankenkrise auch
international zur Debatte. Der amerikanische Präsident Barack Obama
fordert sie und auch der französische Sozialist Francois Hollande.
Mindestens 30 Prozent Steuern sollen die Reichen in den USA zahlen, in
Frankreich soll der Spitzensteuersatz, wenn es nach Hollande geht, sogar
75 Prozent beantragen. Wie hoch soll die Millionärssteuer in
Deutschland sein?
Bei der Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung rangiert die
Bundesrepublik im internationalen Vergleich am unteren Ende. Dies wollen
wir ändern. In unserem Antrag, der diese Woche im Bundestag beraten
wird, fordern wir, dass die Vermögenssteuer als Millionärssteuer wieder
eingeführt wird mit einem Steuersatz von 5 Prozent. Das allein würde
mindestens 80 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Darüber
hinaus setzen wir uns dafür ein, dass Einkommensmillionäre bis zu 75
Prozent Einkommenssteuer zahlen. Mit diesem Vorschlag stehen wir nicht
allein da. Eine solche Reichensteuer fordert auch der französische
Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, François Hollande.
Warum ist eine Millionärssteuer in Zeiten der Krise besser als eine Schuldenbremse?
Die Folgen der Krise haben die öffentlichen Haushalte stark belastet.
Laut Eurostat stiegen die öffentlichen Schulden in Deutschland zwischen
2007 und 2010 um fast ein Drittel auf knapp 2,1 Billionen Euro an. Dies
ist in erster Linie auf die Rettungspakete für die Banken
zurückzuführen. Das Geld, das man für die Bankenrettung verpulvert hat,
soll jetzt durch Kürzungen bei Beschäftigten, Rentnern und Erwerbslosen
wieder eingetrieben werden. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch
volkswirtschaftlich schädlich. Aus Schulden können sich öffentliche
Haushalte nicht heraus sparen. Sie können nur aus ihnen herauswachsen.
Die in ganz Europa erzwungenen Ausgabenkürzungen machen dies unmöglich,
da sie die Konjunktur abwürgen und so zu mehr Arbeitslosigkeit, Armut
und einer noch höheren Schuldenlast führen. Wir wollen die Schuldenlast
verringern, indem wir jene zur Kasse bitten, die vom Finanzkasino und
zahllosen Steuergeschenken profitiert und durch ihr Verhalten zur Krise
beigetragen haben.
Wofür sollten die zusätzlichen Einnahmen aus Ihrer Sicht verwendet werden?
Mit den Einnahmen aus der Millionärssteuer könnte der Binnenmarkt
gestärkt und sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen werden. Soziale
Leistungen könnten erhöht und der enorme Investitionsstau abgebaut
werden. Auch die Staatsverschuldung lässt sich nur reduzieren, wenn man
die Reichen und Superreichen zur Kasse bittet. Insofern ist die
Millionärssteuer die beste Schuldenbremse.
1996 wurde in Deutschland zum vorerst letzten Mal eine
Vermögenssteuer erhoben, nach dem das Bundesverfassungsgericht diese
1995 für verfassungswidrig erklärt hat. Droht einer Millionärssteuer das
gleiche Schicksal?
Das Grundgesetz steht einer Vermögenssteuer nicht im Weg. Schließlich
hat das Bundesverfassungsgericht damals nicht die Vermögensteuer selbst,
sondern lediglich die Art ihrer Erhebung für rechtswidrig erklärt, da
Immobilien und Grundbesitz steuerlich bevorzugt wurden. Wenn dieser
Fehler korrigiert wird, steht der Einführung einer Vermögenssteuer
nichts mehr im Weg.
linksfraktion.de, 19. März 2012