Sahra Wagenknecht

Stellungnahmen der EU-Kommission zum Verkauf der Landesbank Berlin

Schriftliche Frage von Sahra Wagenknecht an die EU-Kommission (P-1732/2007)

23.03.2007

Im derzeit laufenden Bieterverfahren für die Landesbank Berlin einschließlich der Berliner Sparkasse werden die Europäische Kommission und der Berliner Senat mit Äußerungen zitiert, die inhaltlich teilweise stark divergieren und im Widerspruch zu früher getätigten Aussagen der Kommission stehen.

So hat sich die Kommission soeben gegen mögliche Auflagen für den künftigen Erwerber (beispielsweise Arbeitsplatzgarantien oder Erhalt des Unternehmenssitzes) ausgesprochen und gefordert, dass ausschließlich der Verkaufspreis über die Auswahl des Erwerbers entscheiden dürfe. Alles andere würde einem diskriminierungsfreien Verkauf widersprechen. Allerdings hat die Kommission im August 2006 festgestellt: „Der Schutz des Namens ‚Sparkasse' ist wegen des Gemeinwohlauftrags dieser Banken und der Notwendigkeit, dass Verbraucher sie von anderen Banken unterscheiden, begründet. Allerdings ist das Verbot, den Namen ‚Sparkasse' nach einer Privatisierung weiter zu verwenden, keine Maßnahme, die in einem angemessenen Verhältnis zur Gewährleistung des Schutzes dieses Gemeinwohls steht. Deutschland könnte Maßnahmen erlassen, die in einem angemessenen Verhältnis stehen, etwa dadurch, dass die Namensnutzung durch private Banken von der Erfüllung bestimmter Gemeinwohlverpflichtungen, wie sie von öffentlich-rechtlichen Sparkasseninstituten gefordert werden, abhängig gemacht wird oder eine besondere Namensgebung vorgeschrieben wird." (Landespressedienst vom 1. 8. 2006)

Gilt diese Sichtweise nicht mehr, bzw. wie ist das derzeitige Vorgehen mit der damaligen Erklärung vereinbar?

Die Kommission hat des Weiteren im Juni 2006 betont, „dass gemäß Artikel 295 EG-Vertrag (...) Deutschland vollkommen frei über die Privatisierung oder Nichtprivatisierung einer Sparkasse entscheiden kann" (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 28.6.2006, IP/06/870). Der Berliner Senat geht hingegen in seinen öffentlichen Erklärungen davon aus, dass die EU-Auflage nicht nur die Veräußerung der Bankgesellschaft Berlin, sondern ausdrücklich auch die Privatisierung der Sparkasse einschließt.

Ist die Privatisierung der Berliner Sparkasse Teil der Auflage der EU-Kommission, oder ist die Aussage richtig, dass über die Privatisierung der Berliner Sparkasse in Berlin entschieden wird? Wenn die Privatisierung der Berliner Sparkasse Teil der EU-Auflage ist, wie verträgt sich dies mit Artikel 295 EG-Vertrag?

Antwort von Neelie Kroes, EU-Kommissarin für Wettbewerbspolitik, vom 01. Juni 2007

Die Kommission möchte hiermit klarstellen, dass sich die Pressemitteilung, die von der Frau Abgeordneten zitiert wurde, auf das zur damaligen Zeit anhängige Vertragsverletzungverfahren gegen Deutschland wegen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs bezieht, das aufgrund des Verbots, die Bezeichnung „Sparkasse" nach der Privatisierung weiter zu verwenden, eingeleitet wurde.

Zur gleichen Zeit, jedoch unabhängig vom Vertragsverletzungverfahren, hatte sich Deutschland im Zusammenhang mit der Zustimmung der Kommission zur Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten der Bankgesellschaft Berlin AG (BGB) [umbenannt in Landesbank Berlin Holding AG (LBH)] durch die Entscheidung 2005/345/EG vom 18. Februar 2004(1) „verpflichtet, […] dass das Land Berlin seinen Anteil an der BGB verkauft." Nach der Entscheidung der Kommission vom 18. Februar 2004 ist das Land Berlin verpflichtet, den Verkauf der LBH einschließlich der Berliner Sparkasse nach einem „offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Veräußerungsverfahren" durchzuführen, das „für jeden potenziellen in- und ausländischen Käufer offen" ist und „die Auswahl der Käufer […] nach wirtschaftlichen Kriterien" gewährleistet.

Was die Stellungnahme der Kommission hinsichtlich der Arbeitsplatzgarantien und des Erhalts des Unternehmenssitzes der LBH in Berlin im Zusammenhang mit dem immer noch andauernden Bietverfahren für die LBH betrifft, so sollte darauf hingewiesen werden, dass diese nicht im Widerspruch zu früheren Stellungnahmen der Kommission im Zusammenhang mit dem Vertragsverletzungsverfahren steht. Die Entscheidung der Kommission vom 18. Februar 2004 beinhaltet die Verpflichtung des Landes Berlin, den Käufer auf der Grundlage wirtschaftlicher Kriterien auszuwählen. Darüber hinaus ist der Pressemitteilung zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens vom 6. Dezember 2006 Folgendes zu entnehmen: „Es steht im ausschließlichen Ermessen der Mitgliedstaaten, Sparkassen zu privatisieren. Sie können ihnen für diesen Fall die Fortführung bestimmter Gemeinwohlverpflichtungen auferlegen. § 40 Kreditwesengesetz wird in einer Weise angewandt, die die Bestimmungen des EG-Vertrags über das Niederlassungsrecht (Artikel 43 ff) und über den Kapital- und Zahlungsverkehr (Artikel 56 ff) nicht verletzt."

Gemäß Artikel 295 EG-Vertrag stellt die Privatisierung eines staatlichen Unternehmens eine wirtschaftspolitische Entscheidung dar, die als solche ausschließlich in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fällt.

Durch die Zustimmung zum Verkauf der LBH, einschließlich der Berliner Sparkasse, unter Anwendung eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Veräußerungsverfahrens hat Deutschland eine derartige wirtschaftspolitische Entscheidung getroffen.

(1) 2005/345/EG: Entscheidung der Kommission vom 18. Februar 2004 über eine Umstrukturierungsbeihilfe Deutschlands zugunsten der Bankgesellschaft Berlin AG (bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 327) (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 116 vom 4.5.2005.