Europa neu begründen
Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen auf linksfraktion.de am 16.02.2016
2008 begann die große Banken- und Finanzkrise mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers in den USA. Acht Jahre später dreht sich die Welt noch, aber die Finanzkrise ist alles andere als überwunden. Die Zentralbanken in den USA und Europa pumpen Milliarden in die sogenannten Märkte, Zinsen für bestimmte Staatsanleihen sind inzwischen negativ und in der Realwirtschaft geht das Gespenst der Deflation um. Wo steht die Weltwirtschaft, wo steht Europa und wo Deutschland acht Jahre nach dem großen Crash?
Sahra Wagenknecht: Die deutsche Exportwirtschaft profitiert derzeit von sehr billigem Öl, extrem niedrigen Zinsen und einem schwachen Euro. Der deutsche Überschuss im Außenhandel ist im vergangenen Jahr um 15 Prozent auf 250 Milliarden Euro gewachsen, das entspricht einem Anteil von 8,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Würde die EU ihre eigenen Regeln ernst nehmen, müsste Deutschland jetzt Strafe zahlen, da ein Leistungsbilanzüberschuss von über 6 Prozent die Eurozone destabilisiert. Stattdessen werden allein die schwächeren Volkswirtschaften zu immer neuen Lohn- und Sozialkürzungen genötigt. So hat die Eurozone aber keine Zukunft, sie wird an den wirtschaftlichen Ungleichgewichten und ihren politischen Folgen zerbrechen. Ich denke, dass die größte Gefahr für die Weltwirtschaft wie für die europäische und deutsche Wirtschaft von politischen Krisen ausgeht, die wiederum eng mit den aktuellen Öl- und Währungskriegen zusammenhängen.