Sahra Wagenknecht

Verlagerung des Standorts der Handy-Produktion von Nokia von Bochum (Deutschland) nach Cluj (Rumänien)

Antwort von EU-Kommissarin Danuta Hübner im Namen der EU-Kommission vom 18.03.08 auf die Schriftliche Anfrage von Sahra Wagenknecht vom 24.01.08

19.03.2008

(Text der Anfrage von Sahra Wagenknecht s.u.)

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ein vorrangiges Anliegen der Kommission, die aktiv Strategien fördert, um die negativen Auswirkungen von wirtschaftlichem Wandel und industrieller Umstrukturierung auf die Arbeitnehmer – vor allem die benachteiligten und am wenigsten qualifizierten – zu mildern. Deshalb wurde zusätzlich zu den bereits bestehenden sozialpolitischen Instrumenten wie dem Europäischen Sozialfonds und anderen Strukturfonds der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung eingerichtet. Ferner wurde das Flexicurity-Konzept vorgeschlagen, um Arbeitskräfte in einer Übergangsphase zu unterstützen und ihnen durch aktive Arbeitsmarktmaßnahmen zu einem neuen Arbeitsplatz zu verhelfen, und um die Zeit der Arbeitslosigkeit so kurz wie möglich zu halten. Die Kommission will die Arbeitnehmer im Bedarfsfall aktiv dabei unterstützen, neue und bessere Arbeitsplätze zu finden. Sie möchte auch daran erinnern, wie wichtig es ist, die europäischen und nationalen Vorschriften im Falle von Massenentlassungen einzuhalten, insbesondere was die Information und Anhörung der Arbeitnehmervertreter anbelangt. Wie immer ist auch hier der soziale Dialog das entscheidende Instrument, um den Arbeitnehmern ihre Lage so weit wie möglich zu erleichtern.

Zur potenziellen finanziellen Unterstützung des Standorts Cluj (Rumänien) durch die Europäische Union möchte die Kommission auf Erwägung 42 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates[1] über die Strukturfonds verweisen: die Gemeinschaftsfinanzierung darf nicht zu Standortverlagerungen führen.

Im entsprechenden vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanzierten und von der Kommission genehmigten operationellen Programm verpflichteten sich die rumänischen Behörden ausdrücklich, dass die Kofinanzierung durch den Strukturfonds nicht zu Standortverlagerungen führen wird. Der Kommission liegt eine eindeutige Verpflichtung der rumänischen Behörden und der Verwaltungsbehörden des Programms vor, dass nach Standortverlagerungen keine EFRE-Gelder an Nokia oder andere Unternehmen fließen dürfen. Laut Informationen der Kommission hat Nokia für den Standort Cluj keine Regionalmittel beantragt. Rumänien hat zwar staatliche Beihilfen geleistet, doch werden keine Mittel aus dem EFRE oder dem Kohäsionsfonds für die grundlegende Infrastruktur und den Zugang zum Industriestandort und Gewerbegebiet in Cluj, Nokias neuem Standort in Rumänien, gewährt. Auch flossen keine PHARE-Gelder.

Laut Informationen der deutschen Behörden wurden für das Nokia-Werk in Bochum nur staatliche Beihilfen bereitgestellt, jedoch keine EFRE-Mittel. Die staatlichen Beihilfen unterliegen Kontrollen, um sicherzustellen, dass nicht mittels unlauterer Anreize Standortverlagerungen gefördert werden. In den Leitlinien für Regionalbeihilfen der Kommission werden objektive Regeln festgelegt, um u. a. sicherzustellen, dass sich die Mitgliedstaaten keinen Beihilfewettlauf liefern, um sich gegenseitig Investitionen abzujagen. So müssen sich Unternehmen, die Regionalbeihilfen erhalten, verpflichten, mindestens fünf Jahre lang am selben Standort tätig zu sein und die mithilfe der Regionalbeihilfen geschaffenen Arbeitsplätze auch mindestens fünf Jahre lang aufrecht zu erhalten. Derzeit ist nicht klar, ob die staatlichen Beihilfen für Nokia gemäß den Vorschriften der EU für staatliche Beihilfen getrennt angemeldet werden müssen. Eine solche Notifizierung liegt bislang nicht vor. Die Kommission hat die rumänischen Behörden aufgefordert, sachdienliche Informationen zu übermitteln, anhand derer überprüft werden kann, ob die in Verbindung mit den Aktivitäten von Nokia gewährten Beihilfen diesen Regelungen entsprechen.

Zum Schluss möchte die Kommission noch ganz allgemein darauf hinweisen, dass sich die Erweiterung insgesamt positiv auf alle europäischen Volkswirtschaften auswirkt.

Es stimmt, dass Investitionen nun von Deutschland nach Rumänien verlagert werden können – ebenso aber auch von Finnland nach Deutschland. Trotzdem ändert sich nichts an der Tatsache, dass der Binnenmarkt und die Modernisierung infolge der Erweiterung in ganz Europa zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen – in den alten wie in den neuen Mitgliedstaaten.


[1] Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. L 210 vom 31.7.2006).

Schriftliche Anfrage (mit Vorrang) von Sahra Wagenknecht an die Europäische Kommission, eingereicht am 24.01.08

1) Sind in den letzten sieben Jahren Fördermittel der Europäischen Union nach Bochum geflossen, die direkt oder indirekt der Firma Nokia am Standort Bochum zugute kamen? Falls ja, um welche und um wie viele Fördermittel handelt es sich?

2) Sind in den letzten fünf Jahren Fördermittel der Europäischen Union in den Landkreis Cluj (Rumänien) geflossen, die direkt oder indirekt der Firma Nokia zugute kommen könnten? Falls ja, um welche und um wie viele Fördermittel handelt es sich? Kann die Kommission ausschließen, dass europäische Fördermittel für den Aufbau des Industrieparks "Nokia Village" verwendet worden sind?

3) Wie stellt die Kommission sicher, dass die Mittel aus den Struktur- oder Kohäsionsfonds von den EU-Mitgliedstaaten nicht zur Subvention einzelner Firmen verwendet werden und damit den Wettbewerb in der EU verzerren?

4) Ist die Kommission der Ansicht, dass die Geschäftsleitung von Nokia ihren Verpflichtungen gemäß der EBR-Richtlinie 94/45 EG sowie der Richtlinie über Information und Konsultation der Arbeitnehmer 2002/14/EG im Hinblick auf die Entscheidung, den Standort in Bochum zu schließen, korrekt nachgekommen ist? Falls nein, was gedenkt die Kommission zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Rechte von Beschäftigten und Betriebsräten bei Unternehmensentscheidungen zur Standortverlagerung künftig beachtet werden?

5) Kann die Kommission bestätigen, dass der Bundesrepublik Deutschland für die Beschäftigten von Nokia in Bochum Mittel aus dem Globalisierungsfonds zur Verfügung stehen?