Sahra Wagenknecht

„Ich war nicht gewohnt, mit anderen Kindern zu spielen“

Sahra Wagenknecht im Portrait der Rheinischen Post vom 11.01.2019

11.01.2019

Sahra Wagenknecht treibt die Linke zur Verzweiflung. Es geht weder mit ihr noch ohne sie. Das soll sich ändern. Persönliche Einblicke einer Frau, die es ganz nach oben geschafft hat - nun aber droht, die eigene Partei zu spalten.

Von Kristina Dunz

Die Hölle ist für Sahra Wagenknecht das, was für viele andere der Segen ist. Die Gemeinschaft in der Gruppe, gemeinsame Unternehmungen, geselliges Beisammensein. Sie mochte das noch nie. Schon als Kind nicht. Die Mutter arbeitete als Galeristin in Ost-Berlin, die Tochter verweigerte erfolgreich die Kita. Aufgewachsen ist sie schließlich im thüringischen Göschwitz nahe Jena bei Oma und Opa, die ihr Lesen und Schreiben beibrachten, bevor sie in die Schule kam. Der Vater kehrte von einer Reise in den Iran nicht zurück, das Mädchen war damals drei Jahre alt. Ein dunkler Schatten auf der Kindheit.

Wagenknecht sagt: „Ich war Einzelkind. Ich war nicht gewohnt, mit anderen Kindern zu spielen.“ Auch von der kommunistischen DDR-Jugendorganisation FDJ hielt sie wenig. Nicht, weil sie systemkritisch gewesen wäre, sondern weil die Rituale sie nervten. „Lagerfeuer war nicht meins. Ich wollte lieber in Ruhe gelassen werden.“ Viel schlimmer für sie war aber die zweiwöchige Militärausbildung nach ihrem Abitur. „Da war man nicht eine Minute alleine. Das war für mich die Hölle.“ Sie hat nichts mehr gegessen. Nicht aus Protest, sondern weil sich der Magen zuschnürte. Es folgte eine Negativbeurteilung: „nicht kollektivfähig“. Statt wie geplant Philosophie zu studieren, musste sie als Sekretärin Papiere abtippen. Ohne Erfolg. Wagenknecht blieb einfach zu Hause in ihrer Wohnung und verdiente Geld mit Nachhilfe-Unterricht in Mathe und Russisch. Hauptsächlich las sie aber Bücher. Hegel, Kant, Aristoteles, Lukács.

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