Privatisierung ist out
Artikel über die von der Linksfraktion im Europaparlament veranstaltete Konferenz "(Re)-Kommunalisierung statt Privatisierung" am 19.04.08 in Leipzig, erschienen in "junge welt" am 21.04.08
Gewerkschafter, Linkspolitiker und Bürgerinitiativen diskutierten in Leipzig Erfahrungen im Kampf gegen Ausverkauf öffentlichen Eigentums
Zuerst die gute Nachricht: Privatisierung ist kein unveränderliches Naturgesetz. Gegen die von Politik und Wirtschaft in den letzten Jahren forcierte Übertragung öffentlichen Eigentums in die Hände rein gewinnorientierter privater Investoren wehren sich immer mehr betroffene Bürger. Und zwar mit Erfolg. Wie das geht, darüber diskutierten Mitglieder von Bürgerinitiativen, Gewerkschaftsvertreter und Wissenschaftler mit Politikern der Linkspartei auf der Konferenz »Rekommunalisierung und Privatisierung«, die am Samstag im Leipziger Rathaus stattfand.
Asbjorn Wahl aus Norwegen beispielsweise. »Anfang der neunziger Jahre standen Privatisierungen bei uns hoch im Kurs«, so der Gewerkschafter. Die sozialdemokratische Partei hatte staatliche Unternehmen privatisiert und den Gesundheitssektor in ein marktorientiertes System umgewandelt, berichtete Wahl den mehr als 100 Teilnehmern der Tagung. Der norwegischen Gewerkschaftsbewegung sei es jedoch gelungen, sich aus der Defensive zu befreien. Mit anderen Organisationen gründete man die »Kampagne für den Wohlfahrtsstaat« und entwickelte das Projekt »Modellkommune«. Statt auf Privatisierung und Entlassungen baute man auf die Berufserfahrungen der Beschäftigten. In Trondheim, der drittgrößten Stadt Norwegens, konnten mehrere privatisierte Betriebe rekommunalisiert und gleichzeitig Sozialleistungen erhöht werden. »Aufgrund unserer Bündnispolitik hat sich die Wahrnehmung in Norwegen verändert«, so Wahl gegenüber junge Welt.
Zirka zweitausend Kilometer weiter südlich, im baden-württembergischen Freiburg, hat man ähnliche Erfahrungen gemacht. Dort wollte Oberbürgermeister Dieter Salomon (Die Grünen) städtische Wohnungen an einen Finanzinvestor verkaufen. »Wir haben Bürgerversammlungen organisiert, Zeitungsannoncen geschaltet und Demonstrationen veranstaltet«, berichtete Günter Rausch, Mitglied der Initiative »Wohnen ist Menschenrecht«. Im November 2006 stimmte über 70 Prozent der Freiburger gegen die Privatisierung. Jüngstes Beispiel für erfolgreiches Engagement gegen den Privatisierungstrend ist Leipzig, wo sich ebenfalls eine deutliche Mehrheit gegen den Verkauf der Stadtwerke aussprach. Bei einem bundesweiten Vernetzungstreffen am 3. Mai in Leipzig sollen weitere Aktivitäten gegen die Privatisierung kommunalen Eigentums besprochen werden sollen.
Über die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte von Privatisierungskonzepten referierte Sahra Wagenknecht, Abgeordnete im Europaparlament für die Partei Die Linke. Die vermeintlich größere Effizienz beruhe auf niedrigen Löhnen für die Beschäftigten sowie höheren Preisen für Miete, Strom oder Wasser, die die Bürger zu zahlen haben, so die Politikerin. Welche Folgen es hat, wenn sich staatliche Unternehmen ausschließlich an Rentabilität und Kapitalmärkten, statt an den Bedürfnissen der Allgemeinheit orientieren, erläuterte Tim Engartner, Politikwissenschaftler an der Uni Köln, am Beispiel der derzeit diskutierten Bahn-Privatisierung.
Wohnungen, Stadtwerke, oder Verkehrsbetriebe. Der schrittweise Ausverkauf von Städten und Gemeinden ist keineswegs gestoppt. Was tun? »Die Linke muß die Partei werden, die konsequent gegen Privatisierung und für Rekommunalisierung steht«, forderte Sahra Wagenknecht, die am Wochendende von der Parteiströmung »Sozialistische Linke« als Kandidatin für den stellvertretenden Parteivorsitz ins Spiel gebracht wurde. Daß diese Einstellung in ihrer Partei nicht von allen geteilt wird, mußte Jürgen Klute, Mitglied im Bundesvorstand, eingestehen. In Dresden hatte die Stadtratsfraktion der Linken dem Verkauf von 48 000 Wohnungen zugestimmt. »Vielleicht müssen wir unsere Kandidaten sorgfältiger auswählen«, erklärte Dietmar Pellmann, sächsischer Landtagsabgeordneter auf die Frage, wie man so etwas zukünftig verhindern wolle. Gabriele Engelhardt, die Mitglied im Landesvorstand der Partei die Linke in Sachsen ist, hält das für nicht ausreichend: »Es genügt nicht, eine linke Mehrheit im Parlament zu haben, man muß auch außerparlamentarisch aktiv mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften zusammenarbeiten«, so Engelhardt zu jW. In Trondheim, Freiburg und Leipzig hat dieser Ansatz funktioniert.