Die gekaufte Republik: Deutschlands Problem ist nicht die Raffgier - sondern das System
Weitergedacht - Die Wagenknecht Kolumne
Es hört einfach nicht auf. Immer neue Namen von Politikern, denen der persönliche Kontostand wichtiger war als der Wählerauftrag und von denen viele ausgerechnet die Corona-Notlage für dubiose Deals zum eigenen Vorteil ausgenutzt haben, sickern in die Öffentlichkeit. Das eigentliche Problem ist nicht die Raffgier mancher Politiker - sondern liegt viel tiefer.
Das Ergebnis der jüngsten Enthüllungen ist absehbar: das Ansehen von Politikern, das schon seit längerem kein gutes ist, nimmt weiteren Schaden, und das der Demokratie gleich mit. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, in einem Land zu leben, in dem politische Entscheidungen käuflich geworden sind und die Verantwortlichen sich eher an den Wünschen zahlungskräftiger Lobbys als an den Interessen normaler Bürger orientieren.
Und das Schlimme ist: Dieses Gefühl täuscht nicht. Der frühere US-Präsident Jimmy Carter hat die Vereinigten Staaten einmal eine „Oligarchie mit unbegrenzter politischer Korruption“ genannt. So weit muss man für Deutschland nicht gehen. Die Verhältnisse unterscheiden sich schon noch von den amerikanischen, wo eine politische Karriere ohne reiche Gönner und Spender nahezu unmöglich ist. Aber ob begrenzt oder unbegrenzt: politische Korruption ist ein Übel, das die Grundfesten demokratischer Gesellschaften zerstört.
Wer dieses Übel überwinden will, muss allerdings über tiefer liegende Probleme reden als nur über die Moral bzw. Amoral einzelner Abgeordneter. Es ist schon bemerkenswert, dass die Lobbytätigkeit von Parlamentsmitgliedern zugunsten einzelner Unternehmen gesetzlich nicht verboten ist, - selbst wenn sich die Parlamentarier ihre Dienste bezahlen lassen. Begründet hat vor allem die CDU/CSU diese Gesetzeslage immer damit, dass Abgeordneten Nebentätigkeiten gestattet sein müssten, wenn das Parlament nicht nur aus Leuten bestehen soll, die vom Hörsaal in den Plenarsaal wechseln und von da dann einige Jahrzehnte später direkt in den Ruhestand hinübergleiten.
In vielen Berufen seien Pausen von vier oder acht Jahren eben kaum möglich, der Inhaber und Geschäftsführer eines Unternehmens etwa kann sich nicht einfach freistellen lassen. Wer auch Unternehmer im Parlament haben möchte, müsse ihnen daher das Recht einräumen, auch weiterhin unternehmerisch tätig zu sein.
Das stimmt, aber das Argument ist dennoch verlogen. Denn unternehmerische Tätigkeit und Lobbyismus, Nebeneinkünfte für eigene Leistungen und Schmiergelder für Gefälligkeiten lassen sich durchaus unterscheiden und könnten problemlos gesetzlich unterschiedlich behandelt werden. Wer es als Abgeordneter schafft, nebenbei weiter seine Softwarefirma oder seinen Handwerksbetrieb zu managen, verdient Respekt. Wer dagegen sein Mandat nutzt, dem eigenen Unternehmen öffentliche Aufträge oder besonders vorteilhafte Regeln zu verschaffen, hat im Parlament nichts zu suchen. Das gleiche gilt für Leute, die für Firmen arbeiten, deren ausdrücklicher Geschäftszweck die Beeinflussung der Politik im Interesse bestimmter Branchen oder Einzelunternehmen ist.