"Nächstenliebe ist knallharte Pflicht"
Gespräch zwischen der Linken Sahra Wagenknecht und dem Christdemokraten Heiner Geißler, erschienen in der ZEIT am 15.12.2011
(...) ZEIT: Frau Wagenknecht, Sie haben ein Buch darüber geschrieben, wie wir zu mehr Gerechtigkeit kommen: Freiheit statt Kapitalismus.
Geißler: Ich muss Ihnen leider sagen, das Buch hat den falschen Titel. Richtig wäre Solidarität statt Kapitalismus, denn die ist heute mehr gefährdet als die Freiheit.
Wagenknecht: Doch, der Kapitalismus gefährdet die Freiheit. Oder gibt es Freiheit ohne Gerechtigkeit?
Geißler: Natürlich. Aber nur für wenige. Vor vierzig Jahren war »Freiheit statt Sozialismus« richtig, weil dieser nicht von vornherein identisch ist mit Solidarität.
Wagenknecht: »Freiheit statt Sozialismus« der Slogan ist falsch. Nur in einer Wirtschaftsordnung ohne private Wirtschaftsmacht ist Freiheit für alle möglich. Heute wird die Demokratie Zug um Zug abgeschafft, indem nicht mehr gewählte Politiker regieren, sondern Finanzinstitute. Für deren Zockereien müssen jetzt Rentner, Arbeitslose und abhängig Beschäftigte bluten. (...)