Sahra Wagenknecht

»Dahinter steckt eine bestimmte Strömung»

Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen in der Tageszeitung "junge Welt" am 07.04.2011

07.04.2011
Interview: Peter Wolter


Debatte um Rückkehr Lafontaines an Spitze der Linkspartei – Gegenwind aus den eigenen Reihen. Ein Gespräch mit Sahra Wagenknecht

In den Medien wird spekuliert, daß Oskar Lafontaine wieder an die Spitze der Linkspartei zurückkehren könnte. Sie sind stellvertretende Vorsitzende – was ist dran an diesen Gerüchten?

Wir haben zwei gewählte Vorsitzende, und es gibt keinen Grund, sie zu ersetzen. Aber natürlich würde es der Linken helfen, wenn sich Oskar wieder stärker bundespolitisch engagiert – er ist eine wichtige Persönlichkeit, eine Integrationsfigur.


In der öffentlichen Wahrnehmung steht Ihre Partei im Moment nicht sonderlich gut da. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist sie bei den Landtagswahlen unter den Erwartungen geblieben. Und in Nordrhein-Westfalen liegt sie in Umfragen bei vier Prozent, bei Neuwahlen wäre sie also aus dem Rennen. Muß jetzt nicht etwas geschehen?

Natürlich hatten wir bessere Ergebnisse erhofft. Aber nach der Atomkatastrophe in Japan waren es Wahlen im Ausnahmezustand, wovon die Grünen unberechtigterweise profitiert haben. Mit denen müssen wir uns viel deutlicher auseinandersetzen und klarmachen, daß sie keineswegs die Öko-Partei sind, als die sie sich darstellen. Auch sie kungeln mit den Wirtschaftsmächtigen, den Atomausstieg haben sie in sieben Regierungsjahren nicht durchgesetzt.

Also ist Japan schuld an dem schlechten Wahlergebnis?

So einfach kann man es sich nicht machen – aber zur Wahrheit gehört, daß wir vor Fukushima in beiden Ländern Umfragewerte von vier, kurzzeitig sogar fünf Prozent hatten. Im Wahlkampf habe ich es selbst erlebt, wie sich die Interessenlage der Menschen binnen weniger Tage verschoben hat.

Darüber hinaus gibt es Probleme, über die wir reden müssen – die soll man aber bitteschön nicht bei unseren Vorsitzenden allein abladen. Im vergangenen Jahr hatten wir immer wieder eine Führungsdebatte, die eigene Spitze wurde aus der Partei heraus madig gemacht, und auch unsere Positionen wurden in Frage gestellt – nehmen wir den Mindestlohn von zehn Euro oder die Forderung, Hartz IV auf 500 Euro aufzustocken. Das ist kein gutes Erscheinungsbild, wir müssen wieder ein schärferes Profil gewinnen.

Ist dazu nicht eine straffere Führung nötig? Beobachter kritisieren, daß Klaus Ernst in seinem Auftreten einen eher konfusen Eindruck macht und daß Gesine Lötzsch zu lieb ist, daß ihr der Biß fehlt.

Man kann nur dann führen, wenn man nicht ständig Gegenwind aus der eigenen Partei bekommt. Klaus und Gesine vertreten den Kurs von Oskar. Einige in der Partei wollen offenbar einen anderen, der stärker auf SPD und Grüne zugeht. Sie benutzen jetzt die schlechten Wahlergebnisse als Argument, um einen Personal- und Kurswechsel vorzubereiten. Nach meiner Überzeugung wäre das das falscheste, was wir jetzt tun könnten.

Und wer sind diese Windmaschinen?

Die Namen muß ich nicht aufzählen, die stehen ja in den Zeitungen. Auffällig ist, daß sie überwiegend einer Parteiströmung nahestehen.

Dem »Forum demokratischer Sozialismus« also. Ein weiterer Blick nach Westdeutschland: Auch in Bremen stehen Wahlen an – im dortigen Landesverband geht es aber drunter und drüber, die fünf Prozent sind gefährdet. Müßte nicht die Parteiführung jetzt dringend gegensteuern?

Wir müssen wieder eine Partei werden, die sich von allen anderen Parteien deutlich abgrenzt, auch dadurch, daß sie die kapitalistischen Verhältnisse grundsätzlich in Frage stellt. Eine Partei, die klare Positionen hat, von der die Wähler wissen, wofür sie steht und die nicht kungelt.

Daß dieses Profil undeutlich geworden ist, ist nicht Schuld der beiden Vorsitzenden – das liegt an unserer Gesamtperformance. Diejenigen, die am lautesten schreien, sollten sich als erste an die eigene Nase fassen.

Wenn Die Linke ein Bundesligaverein wäre, würde jetzt offen über Trainerwechsel geredet …

Keine Partei wechselt gleich ihre Führung aus, wenn eine Wahl schlechter als erwartet ausfällt. In Hamburg haben wir kürzlich ein respektables Ergebnis erzielt, danach im Südwesten nicht. Ich bin aber überzeugt, daß wir uns bis zur Wahl in Bremen wieder so aufstellen können, daß wir gut abschneiden.