Sahra Wagenknecht

Athen am Abgrund

Gastkommentar von Sahra Wagenknecht in der Zeitung "junge welt" vom 25.08.12

28.08.2012

Der Staatsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten Samaras fand unter beklemmenden Rahmenbedingungen statt. Spitzenpolitiker der Regierungsparteien, wie Bayerns Finanzminister Söder hatten wenige Tage vorher verlangt, daß man an Griechenland ein Exempel statuieren sollte. Noch am Freitag morgen wurde bekannt, daß sich die Bundesregierung bereits mit einer Arbeitsgruppe im Bundesfinanzministerium auf den Rauswurf Griechenlands vorbereitet. Im Gespräch mittags glaubte Samaras dann Merkel, die mit ihrem Sozialkürzungsdiktat für die Vernichtung großer Teile der griechischen Wirtschaft und Sozialsysteme wesentlich verantwortlich ist, um »Zeit zum Atmen« bitten zu müssen.

Merkel ließ Samaras auf ihre Art freundlich, aber kühl abblitzen. Tragisch ist, daß die Bitte Samaras von vornherein nutzlos war. Und zwar ebenso nutzlos wie die verschämte Diskussion um eine zeitliche Streckung der zerstörerischen Politik des sozialen Kahlschlags in Griechenland. Mit Vorschlägen in dieser Richtung haben insbesondere Vertreter von SPD und Grünen versucht, soziale Verantwortung vorzutäuschen. Die Frage nach mehr Zeit geht aber am Problem vorbei. Entscheidend ist doch nicht wie lange, sondern ob Griechenland weiterhin zu unsozialen Kürzungen gezwungen wird. Das neue x-te »Sparpaket« in Höhe von sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll erneut die Axt an das Gesundheitssystem legen, Renten und Gehälter kürzen sowie Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst vernichten. Das Ganze in einem Land, dessen Wirtschaftsleistung bereits um über 20 Prozent eingebrochen ist, in dem die offizielle Arbeitslosigkeit bei 25 und die Jugendarbeitslosigkeit bei 50 Prozent liegt sowie Schwangere erst in den Kreissaal gelassen werden, wenn sie vorher bezahlt haben.

Eine Fortsetzung dieser verheerenden Kahlschlagspolitik führt das Land unweigerlich in den Abgrund und die endgültige Zahlungsunfähigkeit. Ein weiter so ist daher sowohl ein Desaster für die Menschen in Griechenland als auch für die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Denn durch Merkels als Hilfspakte für die »armen Griechen« getarnte Bankenrettungspolitik haftet anstelle der Finanzinstitutionen heute der europäische Bürger für die griechischen Schulden. Ein Rauswurf Griechenlands kann deshalb auch nicht im Interesse der deutschen Bevölkerung sein, denn durch die Abwertung würde es für Griechenland definitiv unmöglich werden, seine Schulden zurückzuzahlen.

Einzig eine saftige Vermögensabgabe für griechische Millionäre ist jetzt noch ein Weg, um die unverantwortliche Quälerei der griechischen Bevölkerung zu beenden und den erforderlichen Schuldenschnitt und damit den Schaden für die europäischen Steuerzahler zumindest zu begrenzen. Dabei muß die griechische Regierung durch die Euro-Staaten unterstützt werden, um auch bereits ins Ausland geflüchtete Vermögen aufzuspüren.

Sahra Wagenknecht ist Erste Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke