Sahra Wagenknecht

Debatte des Europaparlaments über die Dienstleistungsrichtlinie

Rede von Sahra Wagenknecht

14.02.2006

Die Lügen zur Rechtfertigung neoliberaler Politik sind immer gleich. Arbeitsplätze würden so entstehen und Wachstum befördert. Tatsächlich hat der neoliberale Umbau Europas in den vergangenen 15 Jahren genau das Gegenteil bewirkt. Jede neue Liberalisierungsrunde hat hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet und Armut vergrößert. Jeder Einschnitt in Beschäftigtenrechte hat Kaufkraft vermindert und Wachstum abgewürgt.

Die Bolkestein-Richtlinie ist ein Großprojekt derer, die einen gänzlich entfesselten Kapitalismus wollen. Wird sie Realität, wäre dies der Durchbruch zu einem Europa, in dem die Logik von Markt und Profit uneingeschränkt regiert, in dem Qualitäts- und Umweltstandards nach unten angeglichen und die Abwärtsspirale bei Löhnen und sozialen Sicherungen weiter beschleunigt würde.

Diese Stoßrichtung ist auch im faulen Kompromiss, auf den sich Konservative und Sozialdemokraten geeinigt haben, unverändert enthalten. Auch nach ihm werden die marktradikalen Bestimmungen der Richtlinie in Bereichen wie Bildung oder Wasserversorgung Anwendung finden. Das Herkunftslandprinzip ist nicht wirklich überwunden, sondern der Interpretation des Europäischen Gerichtshofs überlassen. Damit dürfte die Konzernlobby gut leben können, da der Gerichtshof in der Vergangenheit zumeist zu ihren Gunsten geurteilt hat.

Wir wollen kein Europa der Bolkestein-Richtlinie! Kein Europa, das den Begriff Chancengleichheit dazu nutzt, beste Bedingungen für die Konzerne zu schaffen und ihre Profite auf Kosten von Beschäftigten und Verbrauchern zu mehren! Kein Europa, in dem elementare Dienste der Daseinsvorsorge dem freien Spiel kapitalistischer Marktkräfte überlassen werden. Der Privatisierungswahn gehört gestoppt und zurückgenommen!

Der Widerstand gegen das neoliberale Richtlinienprojekt muss weitergehen. Dass es überhaupt zu einem Kompromissvorschlag gekommen ist, ist einzig auf den Protest zurückzuführen. Dies darf aber nicht alles gewesen sein. Der Kampf gegen die Richtlinie muss solange geführt werden, bis sie endgültig verhindert ist.