Erklärung zur Abstimmung über den Ukraine-Antrag von SPD/CDU/CSU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP am 27.02.2022
Gemeinsame Erklärung von Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Sören Pellmann, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Klaus Ernst, Christian Leye
Politische Erklärung zur Abstimmung über den
Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP mit der Drucksache 20/846 zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage
Von Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Sören Pellmann, Andrej Hunko, Zaklin
Nastic, Klaus Ernst, Christian Leye
Der militärische Großangriff Russlands auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger
Krieg, den wir unmissverständlich verurteilen. Der Einmarsch in ein anderes Land
ist durch nichts zu rechtfertigen, weder durch den Verweis auf eigene
Sicherheitsinteressen noch durch ebenfalls völkerrechtswidrige Handlungen der
NATO. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und einen Rückzug der
russischen Truppen.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die
Grünen und FDP zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler
zur aktuellen Lage ist absolut ungeeignet, zu einem Ende des Blutvergießens
beizutragen. Die Bundesregierung erhält damit Generalermächtigung für
Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine, die Entsendung deutscher
Truppen an die russische Grenze und Sanktionen, die vor allem die Bevölkerung
in Russland aber auch in die Bevölkerungen in Europa treffen werden.
Der Antrag der Bundesregierung bedeutet den Beginn einer erneuten massiven
Aufrüstung und er begründet die Strategie der Abschreckung mit Atomwaffen der
NATO in Europa. Der Antrag geht davon aus, dass Sanktionen, die die Bevölkerung
treffen, friedensbefördernde Schritte sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen,
das Gegenteil ist der Fall.
Der Antrag bedeutet die kritiklose Übernahme der vor allem von den USA in den
letzten Jahren betriebenen Politik, die für die entstandene Situation maßgebliche
Mitverantwortung trägt, wie es der US-Diplomat und ehemalige Planungschef im
US-Außenministerium George F. Kennan am 5. Februar 1997 in der New York
Times vorausgesagt hat: "Die Osterweiterung der NATO ist der verhängnisvollste
Fehler der amerikanischen Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg. Diese
Entscheidung kann erwarten lassen, dass die nationalistischen, antiwestlichen und
militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie
einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben,
dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten
und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen
zwingen, die uns entschieden missfallen werden".
Wir lehnen diese Generalermächtigung für die Bundesregierung ab, sich de facto
am Krieg in der Ukraine mit Waffenlieferungen und Sanktionen, die die
Bevölkerung treffen, zu beteiligen.
Nur die Beachtung des Völkerrechts durch alle und die Wiederaufnahme der
Diplomatie können zum Frieden führen. Aufrüstung, Waffenlieferungen,
Truppenentsendungen und Wirtschaftssanktionen sind der falsche Weg. Wenn die
ca. achtzehnfachen Militärausgaben der NATO gegenüber Russland Moskau nicht
daran gehindert haben den völkerrechtswidrigen Krieg zu beginnen, dann wird
auch die von der Bundesregierung verfolgte Ausgabensteigerung der NATO nicht
zum Frieden führen. Zwei Prozent des nationalen BIP für Militär und Rüstung und
zusätzlich 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr sind
unverantwortlich.
Jetzt muss mit allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln auf die
russische Regierung eingewirkt werden, dass sie die internationalen Abkommen,
Regelwerke und völkerrechtlich verbindlichen Verträge, die sie selbst
unterschrieben hat und sich damit verpflichtet hat sie zu erfüllen, wieder beachtet
und befolgt, darunter die Charta der Vereinten Nationen, die Schlussakte von
Helsinki, die Charta von Paris, die NATO-Russland- Grundakte und das Budapester
Memorandum. Das setzt voraus, dass auch der Westen in Zukunft keine
völkerrechtswidrigen Kriege mehr führt, nicht immer weiter aufrüstet und die
internationalen Abkommen, Regelwerke und völkerrechtlich verbindlichen
Verträge ebenso beachtet und befolgt vor allem die Charta der Vereinten Nationen.