Diskussionsbeitrag auf dem Parteitag der Linkspartei.PDS in Dortmund am 24./25. März 2007
Debatte zum Demokratischen Sozialismus
Aktuelle Umfragen belegen, dass immer weniger Menschen dem Kapitalismus zutrauen, ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen zu sichern. Sie haben ja auch wirklich wenig Grund dazu. Nach einer repräsentativen Umfrage unter ostdeutschen Jugendlichen unter 30 Jahre beispielsweise unterstützen 45 Prozent die Position: Ein demokratischer Sozialismus wäre mir lieber als die gegenwärtige politische Ordnung.
Solche Ergebnisse zeigen, wie völlig absurd es wäre, wenn die Linke sich in dieser Situation von ihrem sozialistischen Ziel, von ihrem Charakter als sozialistische Partei verabschieden würde. Das Gegenteil ist nötig: wir müssen den Sozialismus als ökonomisch und politisch mögliche Alternative zur kapitalistischen Barbarei noch viel offensiver in die öffentliche Debatte bringen.
Die Orientierung auf ein sozialistisches Ziel muss zudem auch in Zeiten, wo die Kräfteverhältnisse uns die Durchsetzung sozialistischer Veränderungen sicher nicht erlauben, mehr sein als ein abstrakter Programmpunkt mit Bekenntnischarakter.
Zu einem sozialistischen Ziel zu stehen, schliesst für mich ein, uneingeschränkte Solidarität zu üben mit jenen linken Regierungen in Lateinamerika, die in diesem Punkt schon ein ganzes Stück weiter sind als wir, die konkret daran arbeiten, die Rohstoffe und wirtschaftlichen Ressourcen ihrer Länder dem Zugriff multinationaler Konzerne zu entziehen bzw. solchen Zugriff gar nicht erst zuzulassen. Also Solidarität mit Kuba, Venezuela, Bolivien und anderen.
Zu einem sozialistischen Ziel zu stehen, schliesst für mich zweitens ein, die Legitimität vergangener Ausbruchsversuche aus der kapitalistischen Entwicklungslogik immer und überall gegen den herrschenden Zeitgeist zu verteidigen, sich also an Pauschalverdammungen und Denunziationen der DDR nicht zu beteiligen.
Zu einem sozialistischen Ziel zu stehen, schliesst für mich drittens ein, darauf zu achten, dass das eigene Profil als sozialistische Partei auch unter den heutigen Bedingungen immer erkennbar bleibt. Und da bin ich schon etwas erstaunt über manche Genossinnen und Genossen unserer Partei, die den demokratischen Sozialismus so hoch halten, dass sie sogar eine entsprechende Strömung gegründet haben, dieses Bekenntnis aber völlig vereinbar finden mit der unkritischen Bejahung linker Regierungspraxis, die Wohnungen verkauft, soziale Leistungen kürzt, öffentliche Beschäftigung reduziert, den Ladenschluss liberalisiert und demnächst womöglich die erste Sparkasse privatisiert. Da kann ich nur sagen: das geht nicht zusammen! Wenn wir so agieren, verlieren wir jede Glaubwürdigkeit und das letzte Wahlergebnis in Berlin zeigt ja auch an, in welcher erschreckenden Größenordnung dieser Glaubwürdigkeitsverlust bereits eingetreten ist. Eine sozialistische Partei muss in ihrer Ausrichtung und Orientierung immer erkennbar bleiben. Sonst isolieren wir uns gerade von denen, die wir als Bündnispartner dringend brauchen und ohne deren Unterstützung wir nicht die kleinste soziale Verbesserung erstreiten können, von längerfristigen grundlegenden Veränderungen in Richtung Sozialismus ganz zu schweigen.
Debatte zur Friedenspolitik
Ich muss sagen, dass ich sehr froh bin, dass es im unmittelbaren Vorfeld des Parteitages eine Einigung mit dem Parteivorstand auf Übernahme zweier Forderungen gegeben hat, die in vielen Anträgen eine Rolle spielten: die Worte im wesentlichen werden gestrichen, so dass es jetzt heisst, dass wir auch UN-mandatierte Militäreinsätze ohne Wenn und Aber ablehnen, und die entsprechende Frage am Schluss der Eckpunkte, mit der die Debatte über mögliche positive Folgen solcher Einsätze eröffnet werden sollte, wird auch gestrichen.
Ich erinnere mich noch gut: Nachdem beide Parteivorstände auf ihrer Sitzung im Herbst 2006 die Eckpunkte in der damaligen Fassung verabschiedet hatten, titelte die Süddeutsche Zeitung: Linke lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht mehr prinzipiell ab Wären die Eckpunkte heute in dieser Version bestätigt worden, wäre das in jedem Fall eine dominierende Meldung zu den Parteitagen gewesen. Ich muss sagen: Das wäre ein ganz schlimmes Signal gewesen, wenn die Geburtsstunde der neuen Linken verbunden wäre mit der Aufweichung ihrer konsequenten friedenspolitischen Position. Das hätte unserer Glaubwürdigkeit in der Friedensbewegung, aber bei weitem nicht nur dort, schweren Schaden zugefügt.
Mit der jetzigen Veränderung ist wieder klargestellt: Die Linke bleibt dabei, Nein zu Krieg, nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, auch wenn sie mit dem Segen des UN-Sicherheitsrates erfolgen! Damit stehen wir wieder auf dem Boden von Münster. Das Hintertürchen, das geöffnet werden sollte, ist wieder zu. Das ist ganz wichtig, denke ich.
Denn erinnern wir uns: der Weg von SPD und Grünen zu Parteien, die offen imperialistische Kriege befürworten und unterstützen wie den in Jugoslawien und Afghanistan, womit hat dieser Weg begonnen? Mit der Bejahung UN-mandatierter Kampfeinsätze. Das ware bei beiden das Einfallstor und von da zur generellen Bejahung der Kriegslogik und damit auch offener Aggressionskriege war es nur noch ein Schritt.
Denn das Problem ist doch: Der UN-Sicherheitsrat ist keine neutrale Institution. Er ist beherrscht von kapitalistischen Grossmächten; unter der einzigen Bedingung, dass diese sich einig sind, wird er ebenfalls zum Instrument kapitalistischer Grossmacht- und Profitinteressen. Die vergangenen und laufenden UN-mandatierten Kampfeinsätze belegen das: da ging es doch nie um Humanität und Menschenrechte, da ging es ebenso wie bei den NATO-Kriegen um Rohstoffe, Märkte und strategische Interessen. Das waren auch imperialistische Kriege und die Ablehnung solcher Kriege durch die Linke muss völlig klar sein.
Wir haben mit einer solchen Antikriegshaltung zwei Drittel der Bevölkerung hinter uns. Es ist unglaublich wichtig, dass jetzt noch einmal klargestellt wurde, dass auch in der neuen Linken an dieser Position nicht gerüttelt wird.