Sahra Wagenknecht

Öffentliche Kontrolle statt Selbstregulierung

Rede von Sahra Wagenknecht am 22.04.2009 im Europäischen Parlament

22.04.2009

"So wie die öffentliche Sicherheit oder der Umweltschutz ist auch die Stabilität der Finanzmärkte ein öffentliches Gut, das der öffentlichen Kontrolle bedarf. Wer die Regulierung der Finanzmärkte den privaten Großbanken, Versicherungen, Hedgefonds oder Ratingagenturen überlässt, geht das Risiko ein, dass gigantische Summen verspekuliert werden und die Allgemeinheit für die Verluste aufkommen muss. Doch obwohl diese Krise nur zu deutlich gezeigt hat, dass die freiwillige Selbstregulierung gescheitert ist, hält die EU-Kommission unbeirrt an diesem Konzept fest. Statt riskante Finanzprodukte zu verbieten und der Finanzbranche klare Regeln vorzugeben, werden auch künftig private Akteure selbst darüber entscheiden können, welche Risiken sie eingehen und wie diese zu bewerten sind. Statt zum Beispiel die Auslagerung des Risikomanagements an private Rating-Agenturen wie Moody`s und Standard & Poor`s zu beenden und eine gebührenfinanzierte öffentliche Ratingagentur zu schaffen, sollen die Rating-Agenturen lediglich ein bisschen besser überwacht werden. Und bei der Neufassung der Richtlinie zu Solvabilität II will man es den Versicherungen gestatten, auf hochkomplexe interne Modelle der Risikobewertung zurückzugreifen, die von der Finanzaufsicht kaum überprüft werden können.

Sowohl bei Solvency II als auch bei Basel II wird die Linksfraktion darauf drängen, dass interne Risikomodelle außer Betracht gelassen werden und die Eigenkapital- und Solvenzkapitalanforderungen deutlich angehoben werden. Da dies einige Banken oder Versicherungen vor große Probleme stellen wird, treten wir dafür ein, dass eine solche Aufstockung des Eigenkapitals durch staatliche Beteiligungen erfolgt, die mit einem entsprechenden Einfluss auf die Geschäftspolitik verbunden sind. Eine solche Teilverstaatlichung wäre ein mutiger erster Schritt, der zur Neuausrichtung der Finanzbranche am Gemeinwohl genutzt werden könnte. Allerdings ist die Linksfraktion der Ansicht, dass auf lange Sicht der gesamte Finanzsektor in öffentliche Hände überführt und die Geschäftspolitik der Banken und Versicherungen demokratisch gesteuert werden muss. Denn nur durch eine solche Vergesellschaftung kann gewährleistet werden, dass die Finanzbranche ihrem öffentlichen Auftrag nachkommt statt sich auf der Suche nach immer höheren Renditen auf den globalen Finanzmärkten zu verzocken."

Straßburg, 22. April 2009