Sahra Wagenknecht

Solidarität mit den Streikenden in Griechenland

Erklärung aus Anlass des Generalstreiks in Griechenland am 24.02.2010

24.02.2010

Wir, Europa- und Wirtschaftspolitiker der Partei DIE LINKE im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament, erklären aus Anlass des Generalstreiks in Griechenland unsere Solidarität mit den heute dort Streikenden!

Wir sind entsetzt über die beispiellose Kampagne gegen Griechenland. Die schwierige Lage des Landes wird genutzt, um Vorurteile zu aktivieren. Die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands werden als „statistische Serienlügner" diffamiert und der „liederlichen Politik" bezichtigt. Sie lebten angeblich in einem „Schlaraffenland", von dem es nun „Abschied" zu nehmen gelte. Doch nicht nur Griechenland ist im Visier der neoliberalen Medien und Politiker: Als "PIGS" (Schweine), zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben der Länder, werden mit Griechenland auch Portugal, Italien und Spanien herabgesetzt. Diese Kampagne widerspricht grundlegenden Prinzipien europäischer Solidarität. Politiker und Journalisten, die sonst nicht müde werden, von einer „immer engeren Europäischen Union" zu schwadronieren, appellieren an niedrigste menschliche Instinkte und zerstören gegenseitiges Vertrauen, das für ein gutes Zusammenleben der europäischen Völker Voraussetzung ist. In der Krise werden vom Kapital Sündenböcke ausgesucht, gegen die sich der Zorn der in ganz Europa vom Sozialabbau Bedrohten richten soll. So soll antikapitalistische Kritik abgelenkt und wirkungslos gemacht werden.

Wir wissen um die schwierige Lage des Griechenlands. Die Neuverschuldung des Landes ist mit 12,7 Prozent für 2009 hoch. Doch dies trifft auch auf andere Länder zu, etwa auf Großbritannien mit ebenfalls 12 und Spanien mit 10 Prozent. Zweistellig waren die Raten für 2009 auch für Japan und den USA. Überall reißen gigantische Geldgeschenke an die Banken, Konjunkturprogramme und rückläufige Steuereinnahmen riesige Löcher in die Haushaltsbudgets. Es ist perfide und zugleich ein Versagen der Politik, dass ausgerechnet jene Banken und Spekulanten, die erst gestern mit Staatshilfen vor dem sicheren Konkurs gerettet wurden, heute wieder Länder mit Zinsaufschlägen unter Druck setzen und gegen sie spekulieren dürfen. Die Solidarität mit Griechenland und den anderen Opfern dieser Machenschaften gebietet es, diesen Krisengewinnlern endlich das Handwerk zu legen.

Wir beobachten mit großer Sorge, dass die komplizierte Lage Griechenlands von den Finanzmärken, von der Europäischen Kommission und neoliberalen Regierungen in den Hauptstädten der EU ausgenutzt wird, um Sozialabbau durchzusetzen. Die Kampfkraft der griechischen Arbeiterbewegung soll jetzt entscheidend geschwächt werden, um Lohnkürzungen und die Anhebung des Renteneintrittsalters durchzusetzen. Sogenannte „Reformen", die wir in unserem Land nicht verhindern konnten, sollen nun den Griechinnen und Griechen aufgezwungen werden.

Wir erleben zugleich, dass über die enormen wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone nicht geredet wird. Tatsächlich steht Griechenland mit seinen Schwierigkeiten keineswegs allein dar. Auch Irland, Portugal, Spanien und Italien kämpfen mit überdurchschnittlichen Leistungsbilanzdefiziten. Auf der anderen Seite häufen die kerneuropäischen Länder, und hier vor allem der langjährige Exportweltmeister Deutschland, enorme Überschüsse an. Diese Ungleichgewichte müssen beseitigt werden. Notwendig ist eine abgestimmte europäische Makropolitik. Die Überschussländer müssen ihre Binnennachfrage deutlich stärken, zugleich haben die Unternehmen dort ihre aggressive Exportstrategie aufzugeben. Wir verurteilen das Nein der deutschen Bundesregierung gegenüber diesen Forderungen. Sie riskiert damit, dass die Eurozone unter den wachsenden Spannungen zerbricht.

Wir stellen uns mit unserer Unterstützung der griechischen Arbeiterbewegung in die Tradition der sozialistischen Solidarität. Wir wissen, dass ihr Kampf um ein erträgliches und menschenwürdiges Leben auch unser Kampf ist. Nur wenn sich die Lohnabhängigen in den verschiedenen europäischen Ländern nicht länger gegeneinander ausspielen lassen, kann es eine Wende hin zu einem anderen, besseren Europa geben.