Keine Lösung
Gastkommentar von Sahra Wagenknecht zum Streit in der EU über Euro-Anleihen, erschienen in der jungen Welt am 10.12.2010
Das einzig richtige am Euro-Bond-Vorstoß von Jean-Claude Juncker ist, daß er sich gegen die aberwitzige Europapolitik der deutschen Regierung richtet, die mit hohen Zinsen die Problemländer zu unsozialen Sparorgien zwingen will. Das ist für die betroffenen Länder völlig unakzeptabel. Ihre Verschuldungssituation würde sich durch hohe Zinsen und abgewürgtes Wirtschaftswachstum nur verschärfen. Ohne einen Mechanismus zum Ausgleich der Außenhandelsungleichgewichte würden sie so dauerhaft dazu gezwungen, mit teuren Krediten den Exportüberschuß Deutschlands zu finanzieren. Äußerungen des Regierungssprechers Steffen Seibert zum Vorschlag von Jean-Claude Juncker, daß es »der Anfang vom Ende sei, wenn wir Euro-Bonds zustimmen würden«, zeigen, daß sich Merkel und Co. in eine gefährliche Alles-oder-nichts-Position manövriert haben.
Dabei ist selbst die Forderung nach Euro-Bonds keine Lösung des Problems der steigenden Staatsverschuldung. Die Euro-Anleihen sind vielmehr äußerst lukrativ für die Banken. Sie können sich damit weiterhin zu historischen Niedrigzinsen bei der Europäischen Zentralbank billiges Geld besorgen und es dann in höher verzinste und sichere Gemeinschaftsanleihen anlegen. Außerdem besteht die akute Gefahr, daß sich schwächere Länder als Gegenleistung zur Inanspruchnahme der Euro-Bonds in ihre Haushaltpolitik hineinreden lassen müßten.
Das Timing der Bundesregierung beweist, daß sie es mit der Beteiligung der privaten Gläubiger an den Krisenkosten nicht ernst meint. Denn sie war es, die die Zinsen hochgeredet und Irland erst unter den Rettungsschirm getrieben hat. Wie viele Länder in den nächsten Monaten aufgrund steigender Refinanzierungskosten folgen werden, steht noch nicht fest. Fest steht aber, daß wie in Irland die Bevölkerung für die Forderungen der Banken und Vermögensbesitzer haftet, weil eine Beteiligung der privaten Gläubiger, wenn überhaupt, erst 2013 und dann auch nur für künftige Anleiheemissionen kommen soll.
Eine ernstgemeinte Lösung der Schuldenkrise durch Einbeziehung der Banken und weiterer privater Gläubiger sieht anders aus. Ein substantieller »Haircut«, also die Streichung eines Großteils der Altschulden nach dem Vorbild von Argentinien, darf nicht jahrelang vorher angekündigt werden. Um eine anschließende Explosion der Zinsen zu vermeiden, wäre es außerdem notwendig, daß sich die öffentlichen Haushalte unabhängig von den Kapitalmärkten finanzieren können. Dazu müssen die europäischen Verträge so geändert werden, daß unter Umgehung der Banken eine direkte Finanzierung bei der Europäischen Zentralbank möglich wird. Die aktuelle Situation, in der die Banken die von ihnen selbst verursachte Schuldenexplosion der öffentlichen Hand in ein hochprofitables Geschäftsobjekt verwandelt haben, ist unhaltbar und muß endlich beendet werden.
Unsere Autorin ist wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.