Sahra Wagenknecht

Millionäre besteuern

Kommentar von Sahra Wagenknecht in der Zeitung "Neues Deutschland" vom 13.08.2012

13.08.2012

Die Kampagne »Umfairteilen – Reichtum besteuern« zeigt erste Wirkung: Nach der Sommerpause wollen NRW, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hamburg im Bundesrat eine Initiative zur Wiedereinführung der Vermögensteuer einbringen. Wer mehr als zwei Millionen Euro besitzt, soll ein Prozent abführen. Dies würde nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung rund 11,5 Milliarden Euro in die Kassen der Länder spülen.

Man mag diesen zaghaften Schritt begrüßen, da er in die richtige Richtung geht. Man kann aber auch kritisieren, dass eine Vermögensteuer von nur einem Prozent am Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich nichts ändern wird. Wer wirklich umverteilen will, muss beherzter zugreifen. Schließlich wächst das Vermögen der Millionäre um durchschnittlich acht Prozent pro Jahr, das der Milliardäre gar um zehn Prozent. Im Übrigen dürfte selbst die mickrigste Vermögensteuer keine Chancen auf Verwirklichung haben, solange die SPD in Bund und Ländern lieber mit der CDU koaliert, statt sich auf ein linkes Bündnis einzulassen.

Doch selbst wenn die Initiative einem Feigenblatt gleicht, sollte man sie dazu nutzen, den gigantischen privaten Reichtum zum Thema zu machen. In Europa leben über drei Millionen Millionäre, die zusammen weit über 8 Billionen Euro an Vermögen besitzen. Zum Vergleich: Die Staatsverschuldung beläuft sich auf rund 11 Billionen. Allein auf die etwa 830 000 deutschen Millionäre entfällt ein Vermögen von 2,2 Billionen Euro – dies ist mehr, als Bund, Länder und Kommunen an Schulden haben. Nach Schätzungen besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als ein Drittel des gesamten Nettovermögens.

Öffentliche Schulden und private Vermögen sind zwei Seiten derselben Medaille. Leider wird dies in der Diskussion über angebliche Schuldenkrisen und Sparzwänge systematisch ausgeblendet. Ein altes Bonmot lautet, die Staatsschulden seien die nicht gezahlten Steuern der Reichen. Mit Rücksicht auf die Bankenrettung müsste man heute ergänzen: Die Staatsschulden sind die nicht mehr gezahlten Steuern und die verlorenen Finanzwetten der Reichen. Dank rot-grüner und schwarz-roter Steuergeschenke an Reiche und Konzerne sind dem deutschen Fiskus seit dem Jahr 2000 etwa 380 Milliarden Euro durch die Lappen gegangen. Die Rettung der Banken hat Deutschland ebenfalls einen dreistelligen Milliardenbetrag an Schulden beschert, und ein Ende dieser verfehlten Politik ist nicht abzusehen. Erst kürzlich hat die EU beschlossen, den spanischen Banken mit 100 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen.

Krise und Bankenrettung haben dazu geführt, dass die europäische Schuldenquote von unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf über 83 Prozent hochgeschnellt ist. Es ist nicht einzusehen, dass Beschäftigte, Arbeitslose und Rentnerinnen nun bluten sollen, damit die Schuldenquote wieder auf 60 Prozent gedrückt werden kann. Statt ganz Europa unsoziale Kürzungsprogramme aufzuzwingen, wie es der Fiskalpakt vorsieht, dem leider auch SPD und Grüne ihre Stimme gegeben haben, sollte eine Krisenabgabe für Millionäre eingeführt werden. Schon 30 Prozent wären ausreichend, um die Verschuldung in Europa auf das Vorkrisenniveau zurückzuführen. Selbst eine Abgabe von 50 Prozent würde die Millionäre nicht an den Bettelstab bringen, sondern nur um etwa zehn Jahre zurückwerfen. Zwar löst eine Vermögensabgabe nicht alle Probleme. Klar ist jedoch: Ohne Abschöpfung der Vermögen der Superreichen wird man die Krise nicht überwinden können.