Kommunal wird´s besser
Trend zur »Rekommunalisierung«: Immer mehr Gemeinden wollen Privatisierungen rückgängig machen. Volksbegehren in Berlin angestrebt
Die Privatisierungspolitik ist gescheitert zu diesem Fazit kam der Deutsche Städte- und Gemeindebund bereits im April dieses Jahres. Zwar sind in jeder sechsten Kommune innerhalb der nächsten drei Jahren Privatisierungen geplant bei den Großstädten über 100000 Einwohner soll es sogar fast jede dritte sein. Doch selbst bei der Beratungsfirma Ernst & Young, welche die zitierte Umfrage in Auftrag gegeben hat, muß man eingestehen, daß inzwischen auch ein gegenläufiger Trend eingesetzt hat: So denkt jede zehnte Kommune darüber nach, Privatisierungen wieder rückgängig zu machen und die an private Anbieter übertragenen Aufgaben wieder von der öffentlichen Hand ausführen lassen.
Interessanterweise sind es vor allem Kostengründe, die für eine Rekommunalisierung ins Feld geführt werden. Wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) feststellt, gibt es viele Beispiele, wo privat geführte Unternehmen wieder von Kommunen übernommen werden, weil es so deutlich preisgünstiger ist. Und dies liegt nicht nur an der Befreiung kommunaler Unternehmen von der Umsatzsteuerpflicht, über die sich marktliberale Fanatiker beklagen, die darin eine »Verzerrung des Wettbewerbs« sehen. Viel eher dürften die Kommunen dadurch sparen, daß sie die überzogenen Renditeerwartungen privater Investoren nicht länger erfüllen müssen von den üppigen Honoraren, durch die eine boomende Beratungsbranche in den letzten Jahren profitiert hat, einmal ganz zu schweigen. Roland Schäfer, der Präsident des DStGB und Bürgermeister von Bergkamen, muß es jedenfalls wissen: Die Kosten für die Abfallentsorgung in seiner Stadt konnten im Zuge der Rekommunalisierung um etwa 30 Prozent reduziert werden. Kein Wunder, daß diesem Beispiel inzwischen viele andere Kommunen und Kreise gefolgt sind.
Doch nicht nur finanzpolitische Gründe sprechen für eine Rekommunalisierung öffentlicher Aufgaben. Die Frage, wer für die Energie- und Wasserversorgung, die Müllabfuhr sowie den öffentlichen Personennahverkehr Sorge trägt und wer eine hohe Qualität von Gesundheit, Bildung und Wohnraumversorgung garantieren kann, rührt nun einmal an die Grundfesten der Gesellschaft. Nur öffentliche Unternehmen sind dem Gemeinwohl verpflichtet und demokratisch kontrollierbar. Umgekehrt können sich nur Reiche einen armen Staat leisten. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben zur Genüge gezeigt, was passiert, wenn Leistungen der Daseinsvorsorge privatisiert werden: Die Preise steigen, Arbeitsplätze werden abgebaut und durch Billigjobs ersetzt, Investitionen werden reduziert, und in der Regel leidet auch die Qualität und Verfügbarkeit der Güter und Dienste.
Auch wenn der Privatisierungsdruck auf Kommunen zunimmt, auch wenn die Spielräume für öffentliche Leistungen durch das europäischen Beihilfe- und Vergaberecht immer weiter eingeschränkt werden und inzwischen auch Länder wie Nordrhein-Westfalen versuchen, in ihrer Gemeindeordnung den neoliberalen Grundsatz »Privat geht vor Staat« festzuschreiben: Auf Dauer wird man die negativen Ergebnisse von Privatisierungen und Public-Private-Partnerships nicht ignorieren können. Vor allem aber wird man die Proteste, die sich an den negativen Privatisierungsfolgen entzünden, nicht »aussitzen« können.
Diese Erfahrung mußte jüngst auch der Senat von SPD und Die Linke in Berlin machen. Dort gibt es seit Jahren Unmut über die zu hohen Wasserpreise, die das Resultat geheimer Teilprivatisierungsverträge sind, in denen man den Käufern RWE und Vivendi (heute Veolia) unverschämt hohe Renditen zugesichert hat. Im Sommer 2007 wurde sogar ein Volksbegehren gestartet, das unter dem Motto »Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« für eine Offenlegung der geheimen Verträge kämpft. Zwar konnte sich die Linkspartei in Berlin zu einer Unterstützung des Volksbegehrens bislang nicht durchringen wie ihr Landesvorstand am 12. Oktober bekanntgab, will man sich nun aber für eine Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) einsetzen. Wahrscheinlich hat ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober zu diesem Meinungsumschwung beigetragen. Denn nach dieser Entscheidung ist das Land Berlin sogar dazu verpflichtet, die Preis- und Gebührenkalkulation der Wasserbetriebe offenzulegen. Dem Urteil vorangegangen war ein langer Rechtsstreit mit dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der bereits im April 2005 eine Klage eingereicht hatte, um Akteneinsicht in die Kalkulation für Wasserpreise durchzusetzen.
Bleibt zu hoffen, daß der »rot-rote« Senat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum Anlaß nimmt, sämtliche geheime Verträge und Nebenabreden offenzulegen, um sie dann in einem zweiten Schritt juristisch anfechten zu können. Denn sollte es gelingen, wesentliche Inhalte der Privatisierungsverträge für null und nichtig zu erklären, wäre der Weg zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe endlich frei.
Die Autorin ist Mitglied im Parteivorstand Die Linke und Abgeordnete des Europaparlaments.