Sahra Wagenknecht

Kapitalismus heißt Krieg

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen im Friedensjournal des Bundesausschusses Friedensratschlag, März 2009

18.03.2009

Kapitalismus und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille. Das kapitalistische Wirtschaftssystem beruht auf dem Prinzip der Konkurrenz, es geht um die bestmögliche Ausgangsposition zur Erzielung des größtmöglichen Profits. Ausbeutung und Expansion sind dem Kapitalismus deshalb inhärent. Das Nutzen militärischer Mittel, um die eigene wirtschaftliche Position zu verbessern, den Zugang zu Ressourcen zu sichern und ihre Ausbeutung zu ermöglichen, ist eine Konsequenz der kapitalistischen Logik. Der französische Sozialist Jean Jaurès hat es treffend formuliert: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen."

Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung der Profitmaximierung mit militärischen Mitteln. Es lassen sich dabei mehrere Ebenen unterscheiden, die alle eins gemeinsam haben: DerDurchsetzung wirtschaftlicher Interessen wird ohne Skrupel alles untergeordnet.

... um Rohstoffe und Ressourcen

Eroberungsfeldzüge um Ressourcen bilden sozusagen die klassische Kriegsführung. So wie es zu Beginn der Neuzeit um Gold und Silber ging, so stehen heute Öl und Rohstoffe im Mittelpunkt der modernen Kriege. Dass es beim Feldzug der USA im Irak um die Verhinderung von – nie gefundenen – Massenvernichtungswaffen ging, glaubt niemand mehr. Der Irak hat riesige Ölvorkommen, nach Saudi-Arabien soll es sich um die größten weltweit handeln. Da der Irak nach dem zweiten Golfkrieg weder an die USA noch an Großbritannien Ölkonzessionen vergeben hatte, hatten diese – im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich und Russland, die gute wirtschaftliche Beziehungen zum Irak unterhielten – ein gesteigertes Interesse an einem Umsturz im Irak, um so von den Ressourcen profitieren zu können. Es ist wenig überraschend, dass gerade die USA den Irakkrieg vorantrieben und darin von Großbritannien massiv unterstützt wurden.

Doch es sind nicht nur die USA, die bereit sind, Kriege um Energie zu führen. Energiesicherheit gehört zur strategischen Neuausrichtung der NATO. Und auch die EU positioniert sich, um im Kampf um Energieressourcen gerüstet zu sein. Mithilfe des Lissabon-Vertrags soll die Aufrüstung vorangetrieben werden, um notfalls auch militärisch agieren zu können, um die Interessen der EU durchzusetzen – und zu diesen zählt die Sicherung von Energie und ihrer Transportwege, wie es der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana in einem Strategiepapier ausführt. Das Handelsblatt schrieb ganz unverblümt über den EU-Plan, den Aufbau einer mindestens 60.000 Mann starken Eingreiftruppe voranzutreiben: „EU rüstet sich für künftige Konflikte um Energie und Seewege".

In so gut wie allen kriegerischen Auseinandersetzungen geht es um Rohstoffe und Ressourcen. Dabei muss nicht immer das umkämpfte Land selbst große Vorkommen haben. Ein Land kann auch im Zentrum kriegerischer Auseinandersetzungen stehen, weil es eine geostrategisch bedeutende Lage hat. Dies ist beispielsweise bei Afghanistan der Fall. Welche Relevanz Durchleitungsrechte haben, konnte man erst kürzlich im Erdgasstreit zwischen Russland und der Ukraine sehen.

Auch der Großteil der Konflikte in Afrika ist durch Rohstoffe verursacht. Beim Krieg im Kongo geht es nicht zuletzt um strategische Ressourcen und um Bergbaukonzessionen für international agierende Minenkonzerne. Ähnliches gilt für den langjährigen Krieg in Sierra Leone, der auch um Diamanten geführt wurde. Auch die so genannten ethnischen Kriege sind oftmals nichts anderes als Stellvertreterkriege der imperialistischen Mächte um Rohstoffvorkommen und Einflussbereiche. Dies war z.B. in Ruanda der Fall, indirekte Kontrahenten waren hier die USA und Frankreich.

... um Marktöffnung und Privatisierung

Ein weiterer Aspekt des kapitalistischen Interesses an Krieg ist die Erschließung neuer Absatzmärkte. Krieg dient der Durchsetzung eines neoliberalen Entwicklungswegs. Dieses Prinzip kam auch bei der Zerschlagung Jugoslawiens zum Einsatz. Mithilfe von Bomben sollen willfährige Regierungen installiert werden, die in der Folge eine Politik der Privatisierung und Marktöffnung betreiben, von der wiederum die Wirtschaftskonzerne der kriegführenden Partei profitieren. Das beste Beispiel für diese perfide Kriegspolitik bildet der Irak. Dick Cheney, als US-Vizepräsident der Bush-Administration unmittelbar an der Entscheidung zur Kriegführung beteiligt, war vor seinem Eintritt in die US-Regierung Vorstandsvorsitzender des US-Konzerns Halliburton, der lukrative Verträge zur Versorgung der US-Soldaten im Irak erhielt und auch am Vertrieb irakischen Öls beteiligt ist.

Auch die US-Baufirma Bechtel, ebenfalls Förderer der Bush-Regierung, ist mit Aufträgen am Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg beteiligt. Gleiches gilt für das zerstörte Telefonnetz. Auch hier profitiert eine US-Firma.

... als Dienstleistung

Eng verwoben mit dem Aspekt der unmittelbaren und langfristigen Profite, die Kriege ermöglichen, ist die zunehmende Privatisierung des Krieges. Immer mehr private Sicherheitsfirmen bieten Kriegsdienstleistungen an; in diesem Sektor wurden allein im Jahr 2006 200 Milliarden Dollar umgesetzt und 1,5 Millionen Menschen beschäftigt.

Es handelt sich dabei zum einen um Söldner, zum anderen aber auch um den Bereich der Versorgung und Logistik – auch die Bundeswehr setzt in diesem Bereich auf Outsourcing. Die Privatisierung von Krieg bedeutet, dass ein immer größerer privater Sektor von Krieg unmittelbar profitiert und damit ein wirtschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung kriegerischer Konflikte hat. Da Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft oftmals eng miteinander verbunden sind – das Beispiel Dick Cheney zeigt dies am deutlichsten –, ergibt sich daraus ein großer Einfluss privat profitierender Wirtschaftsunternehmen im Sicherheitsbereich auf politische Entscheidungen über Krieg und Frieden.

... als Wirtschaftszweig

Krieg ist ein immenser Wirtschaftszweig und Rüstung bildet einen Bereich, wo der Staat selbst unmittelbar die Nachfrage beeinflussen kann. Gerade die USA haben dies in den letzten Jahrzehnten weidlich genutzt; von Ronald Reagans massiver Aufrüstung im Rahmen der Systemauseinandersetzung bis hin zum Irak-Krieg der jüngsten US-Administration. Aufrüstung spielte in den USA immer eine große Rolle, um die Wirtschaft voranzutreiben. Die erfolgreichsten Exportgüter der USA waren in den letzten Jahren vor allem Rüstungsgüter.

Nach dem Platzen der New-Economy-Blase setzten die USA unter George W. Bush massiv auf Aufrüstung zum Ankurbeln der Konjunktur. Profiteure solcher Politik sind vor allem die Rüstungsschmieden, die staatliche Aufträge erhalten und private Profite aus den in die Rüstung fließenden Steuergeldern machen.

Doch auch in Europa stehen die Weichen auf Aufrüstung. Mittels der Aufrüstungsverpflichtung des Lissabon-Vertrags sollen auch hier Steuergelder dafür verwendet werden, Rüstungskonzerne zu fördern. Es liegt auf der Hand, dass diese ein Interesse daran haben, dass Rüstungsgüter auch eingesetzt werden; so steigen Bedarf und Profit. Insofern ist der Rüstungswirtschaft sehr daran gelegen, dass die EU ihren Aktionsradius weltweit ausdehnt und mithilfe von EU-Militäreinsätzen für stetige Nachfrage sorgt.

Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist die Kriegsgefahr erheblich. Dies zeigt ein Blick in die Geschichte. Die Wirtschaftskrise der 30er Jahre beförderte in Deutschland den Siegeszug der Nazis und führte in die Katastrophe. In den von der Wirtschaftskrise getroffenen USA war es nicht etwa der New Deal von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der die USA aus der Großen Depression brachte. Es war vor allen Dingen das Ankurbeln der US-Rüstungsproduktion, nachdem Nazideutschland den 2. Weltkrieg entfacht hatte.

Es ist deshalb gerade heute, am Beginn der größten Weltwirtschaftskrise seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts umso wichtiger, wachsam zu sein und eine konsequente Friedenspolitik zu vertreten. Es ist nicht entschieden, in welche Richtung sich Protest angesichts großer wirtschaftlicher Einbrüche entwickelt. Die Gefahr eines Rechtsrucks in der Gesellschaft existiert auch heute. Deshalb ist ein friedenspolitischer Kurs notwendig, der die Ursachen von Kriegen bekämpft und sich für deren Überwindung engagiert. Darüber hinaus müssen zivile Alternativen zur Militär- und Kriegslogik aufgezeigt werden. Nur so lässt sich Frieden dauerhaft verwirklichen.

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