Legalisiertes Lohndumping
Kommentar von Sahra Wagenknecht, erschienen in der Frankfurter Rundschau am 22.06.2016
Das geplante Gesetz zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen soll angeblich mit der Lohndrückerei und Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Betrieben aufräumen. Tatsächlich können Unternehmen weiterhin reguläre Arbeitsplätze durch Leiharbeit und Werkverträge ersetzen, was die Löhne drückt und die Spaltung der Belegschaften zementiert. Und für Beschäftigte wird es durch das Gesetz womöglich noch schwerer, gegen den Missbrauch von Scheinwerkverträgen vorzugehen.
Die Überlassung von Arbeitnehmern soll nur vorübergehend erfolgen, so schreibt es das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor. Was vorübergehend bedeutet, wird im Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Nahles nun konkretisiert: Leiharbeit soll auf 18 Monate begrenzt werden, nach neun Monaten sollen Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten. Diese Fristen sind aber nicht nur so lang, dass sie drei Viertel aller Leiharbeitsverhältnisse gar nicht betreffen. Sie können auch durch Tarifverträge endlos verlängert werden. Zudem beziehen sich die Fristen nicht auf den Arbeitsplatz, sondern auf den einzelnen Arbeitnehmer: Unternehmen können also unbegrenzt Leiharbeitskräfte beschäftigen, wenn sie diese spätestens alle 18 Monate austauschen. Mit einer Unterbrechung von drei Monaten soll jeder Leiharbeiter sogar wieder auf seinem alten Arbeitsplatz eingesetzt werden können. Statt durchzusetzen, dass für gleiche Arbeit am gleichen Ort auch der gleiche Lohn gezahlt wird, wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Betrieben mit diesem Gesetz weiter gefestigt.
Auch der Missbrauch von Werkverträgen wird durch das Gesetz eher erleichtert als unterbunden. Bislang konnten sich alle Beschäftigten bei illegaler Überlassung auf einen festen Arbeitsplatz im Einsatzbetrieb einklagen, zudem konnten Unternehmen wegen der Hinterziehung von Sozialbeiträgen strafrechtlich belangt werden. Dagegen sollen Unternehmen in Zukunft ohne Risiko illegale Arbeitnehmerüberlassung betreiben dürfen. Sie müssen nur ihre Beschäftigten schriftlich erklären lassen, dass sie an ihrem Arbeitsverhältnis im Entleihbetrieb festhalten.
Statt Unternehmen zu ermöglichen, von den Beschäftigten Freibriefe für schmutziges Lohndumping zu erhalten, sollte die Regierung lieber den Belegschaften ermöglichen, gegen den Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen ein Veto einzulegen
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- 24.04.2016